Wunden, die nie heilen
Trump agiert ohne Rücksicht auf Verluste
Von Lothar Leuschen
Die Vereinigten Staaten von Amerika sind auf dem Weg in eine tiefe Spaltung. Angetrieben von Präsident Donald Trump driften die politischen Pole immer weiter auseinander und hinterlassen in der gesellschaftlichen Mitte eine klaffende Lücke. Wenn es noch eines Beweises dafür bedurft hätte, daß es dem Präsidenten nie wirklich darum ging, der Präsident aller US-Amerikaner zu sein, dann hat das Pfingstwochenende ihn erbracht. Trumps Marschbefehl in Richtung Los Angeles an 700 Marines und zuvor die Kommandierung von 2000 Nationalgardisten in die Stadt der Engel ist eine eindeutige Botschaft. Sie lautet, daß dieser Präsident vor nichts zurückschreckt, auch nicht davor, die Armee gegen die eigene Zivilbevölkerung in Stellung zu bringen. Die jüngste Eskalation im Zusammenhang mit der rücksichtslosen Einwanderungspolitik ist im Oval Office sicher nicht geplant worden. Aber Trump hat sie billigend in Kauf genommen, und sein Vizepräsident J. D. Vance kündigte bereits an, daß sein Chef keinen Millimeter zurückweichen würde. Auf der anderen Seite machen auch die Demonstranten, unter denen es auch einige gewaltbereite gegeben hat, deutlich, daß sie an ihrem Widerstand festhalten werden. Die Auseinandersetzung droht aus dem Ruder zu laufen.
Seine Befürworter halten Donald Trump zugute, daß er nun umsetzt, was er im Wahlkampf angekündigt hat: Grenzen zu, kriminelle Zuwanderer abschieben. Daß Späne fallen, wo gehobelt wird, interessiert ihn dabei offenkundig nicht. Und inzwischen geht es auch nicht mehr nur um kriminelle Zuwanderer ohne Papiere, auch um solche, die schon viele Jahre in den USA leben, sich eine Existenz aufgebaut haben und Steuern bezahlen. Auch das ist Trump egal. Seine persönliche Perspektive sind die gut drei Jahre, die er noch im Amt ist. In dieser Zeit gilt es offenbar, so viel Kapital aus dem Amt zu schlagen, wie es nur geht. Das ist ihm in den ersten Monaten nach seinem zweiten Einzug ins Weiße Haus sehr gut gelungen. Die Zeche dafür zahlen alle anderen. Trump bürdet den Vereinigten Staaten von Amerika eine Hypothek auf, die kaum zu tilgen sein wird. Denn manche Wunden verheilen nie.
Der Kommentar erschien am 11. Juni in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
|