Nachstellung – Konsortium
Von Johannes Vesper
Der Begriff „Konsortium“ bezeichnet einen vorübergehenden Zusammenschluß mehrerer rechtlich und in diesem Falle auch künstlerisch selbständiger Unternehmen bzw. Künstler zur Durchführung eines vereinbarten Geschäftszwecks. Für die aktuell Ausstellung „Konsortium/Nachstellung“ im Von der Heydt-Museum haben sich drei Künstler – Lars Breuer (geb. 1978), Sebastian Freytag (geb. 1978), Guido Münch (geb. 1966) – zusammengetan, um als künstlerisch „Geschäftszweck“ die legendäre Vorgartenausstellung der Galerie Parnass aus dem Jahre 1964 nachzustellen. Ihr Ziel: ein Kommentar zur Situation der Kunst 60 Jahre später.
Das „Konsortium“ entstand 2004 in Düsseldorf, wo die drei Konsorten einen eigenen Ausstellungsraum gründeten. Sie setzen sich mit Architektur, Malerei und künstlerischen Installationen auseinander, interessieren sich zusätzlich für Produktions- und Präsentationsformen zeitgenössischer Kunst. Das Trio stellte auf zahlreichen auch internationalen Ausstellungen aus – u.a. Museum Morsbroich, Schloß Moyland, marta Herford, Wellington, Melbourne, Pori Art Museum Finland, The Suburban Chicago, auf der Bienale von Kaunas , um nur einige zu nennen. Neben der gemeinsamen Arbeit im „Konsortium“ sind die drei auch eigenständig, individuell als Künstler tätig.
Im Von der Heydt-Museum zu Wuppertal gibt es vom 07. Juni bis zum 06. Juli Dreien die Ausstellung „Nachstellung“ zu sehen. Konrad Lueg hatte 1963 in einem Aufruf an der Kunstakademie zu Düsseldorf gefordert „Man sollte eine Gruppe gründen“. Infolge dieses Aufrufes fanden sich Manfred Kuttner, Konrad Fischer-Lueg, Sigmar Polke und Gerhard Richter zu gemeinsamen Aktionen und nannten sich als Gruppe „Kapitalistischer Realismus“. Im Februar 1964 mieteten die vier einen Kleinlastwagen, luden ihre Gemälde auf und fuhren nach Wuppertal zur Galerie Parnass in der Moltkestraße, um sie dem Galeristen Rolf Jährling zu zeigen. Parnass war damals eine der einflußreichsten Galerien im Rheinland.
Im Vorgarten der Villa Parnass, bei leichtem Schnee und bedecktem Wetter, präsentieren sie ihre Werke, hingen sie an Bäume, lehnten sie an Büsche, Zäune und Hausmauern. Rolf Jährling kann heraus und fotografierte die Aktion mit seiner Minox - der damals sehr kleinen Spionagekamera. Mit ihr waren spontane möglich wie heute mit dem Smartphone. Dank dieser Fotografien wissen wir heute von dieser einzigartigen Vorgartenausstellung, die an demselben Tag wieder abgebaut wurde.
Das Konsortium ruft diese Aktion im Vorgarten der Moltkestraße im Briller Viertel auf drei Ebenen ins Gedächtnis:
1. Im Foyer, als quasi im Vorgarten des Museums ein läuft ein Film in Endlosschleife mit dem die Rückbesinnung auf Rolf Jährling und seine berühmte Galerie visualisiert wird. Schwarz-weiß fährt man rückwärts von der Kunstakademie, als zeitlich zurück ins Jahr 1964 nach Wuppertal.
2. Auf der gegenüberliegenden Fotowand sind Jährlings originale Minoxfotos der Vorgartenausstellung (ebenfalls in Schwarz-Weiß) zu sehen.
3. An der Längswand des Foyers stehen die 40 Bilder, die damals im Vorgarten ausgestellt worden sind, angelehnt. Mit den Originalbildern von damals teilen sie nur das Format. Die Farben der monochromen Leinwände sind den damaligen Künstlern zugeordnet: weiß für Kuttner, Hellgrau für Lueg, Dunkelgrau für Polke, Schwarz für Richter.
Vor der Fotowand stehen drei Vitrinen, in denen u.a. Werke von Sigmar Polke nachgestellt sind und u.a. auch der Opel-Blitz als Wiking-Spielzeugauto zu sehen ist. Siegmar Polke, Gerhard Richter und Karl Lueg wurden für den November 1964 von Jährling zu einer gemeinsamen Ausstellung (Titel: Neue Realisten) in der Galerie eingeladen.
Auf den historischen Fotos ist zu sehen, wie unbefangen die Künstler damals mit ihren Werken umgegangen sind. Originale draußen im Schnee auszustellen, zeugt von einem spontanen und unverkrampften Verhältnis zur Kunst, welches so heute unter den Bedingungen des internationalen, profitorientierten Kunstmarktes nicht mehr vorstellbar ist. Kooperation und Konkurrenz, Karriere und Marktwert, persönliche Interessen, Gewinnorientierung und Spekulationserwartungen – der Kunstbetrieb hat sich erheblich verändert. Das wird bei der Betrachtung dieser „Nachstellung“ dem Kunstfreund eindrücklich deutlich. Ihr Konsortium verstehen Guido Münch, Sebastian Freitag und Lars Breuer als einen Zusammenschluß gegen Gewalt und Zwänge des Kunstmarktes heute. Das weckt die Neugier auf das individuelle Werk der einzelnen Künstler!
Die Ausstellung ist entstanden in Zusammenarbeit mit der Anna-Polke-Stiftung.
Nachstellung - Man sollte eine Gruppe gründen - Konsortium (Lachs Breuer, Sebastian Freitag Guido Münch).
Nachtrag: Vielleicht zufällig, vielleicht auch nicht, fand das Pressegespräch zur Nachstellung des Konsortiums am 5.Juni 2025 statt, auf den Tag genau 60 Jahre nach den berühmten „24 Stunden“, dem Happening mit Joseph Beuys, Bazon Brock, Charlotte Moormann, N. Jun Paik, Eckart Rahn, Thomas Schmit und Wolf Vostell. Fantasie, Unbefangenheit und Offenheit bestimmten damals den Fluxus und die Kunst. Damit endete die Geschichte der bedeutenden Galerie Parnass (1949-1965). Rolf und Eva Jährling fuhren mit dem VW-Bus durch Afrika, lebten für einige Jahre in Addis Abeba, wo sich Rolf Jährling im Auftrag der UNO dem sozialen Wohnungsbau für Afrika gewidmet hat. Dort hat ihn der Autor dieser Zeilen im Jan. 1973 in seinem Haus getroffen und mit ihm und seiner Frau einen wunderbaren Abend verbracht.
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