Schauspielhaus Düsseldorf
Purple Rain
Ganz langsam dreht sich die von den Zuschauerrängen umgebene Bühne
bei der Düsseldorfer Inszenierung „Fräulein Julie”
Gerhard Fresacher hat die intime Nähe ganz im Sinne August Strindbergs geschaffen, ermöglicht jedem Betrachter indiskrete Einblicke in die Enge des bespielten Raums, eines quadratischen Podestes mitverborgenem Keller, die Küche eines Guthofs.
Schweden, Ende 19. Jahrhundert - eine Mittsommernacht, sinnverwirrend, knisternd. Die Bediensteten feiern, Fräulein Julie Tochter des abwesenden Grafen, mischt sich unter die Tanzenden. Vom Verlobten wegen ihrer Herrschsucht verlassen, wählt sie den Diener Jean zum Objekt herrschaftlicher erotischer Begierde. Myriam Schröder ist in dieser schillernden, sich durch alle Nuancen menschlicher Gefühle spielenden Rolle eine sinnliche Offenbarung, schön, gemein, wollüstig, verzweifelt, mit einer Stimme voll sehnsuchtsvoller Heiserkeit und Angst, einer gebrochenen Psyche.
Jean widersteht nur kurz, bekennt seine Kinderliebe zu Julie, zeigt sich als Poet, Realist, Zyniker und Feigling. Klaus Rodewald ist dieser Knecht, der für einen leichtfertigen Moment in begehrlicher Neugier nach dem Stern Julie greift, wenige Herzschläge lang die Rolle verkehrt, Hoffnungen weckt, sich belügt, ein Gratwanderer zwischen Hybris und Devotation. Er gibt ihn mit hinreißend brüchiger Stimme. Seine Braut, die Köchin Kristin (Heide Ecks) kann nichts verhindern, zerbricht aufgezehrt daran.
Alexander Kubelka hat diese vor 111 Jahren mit autobiografischen Bezügen entstandene Eruption aufgestauter Gefühle voll unerhörter, subtiler und brodelnder Erotik inszeniert. Er nutzt die Symbolik des Wassers, das nicht reinigt, das er aus der Mitte der Bühne aufsteigen und in das er Julie und Jean auf der Suche nach dem letzten Geheimnis in rasender Vereinigung eintauchen läßt, das er nach dem Fehltritt rot auf sie regnen läßt, das wie ein Styx trennend zwischen ihnen steht. Ein memento mori, dem Julie folgt, von Jean gedrängt, im Stich gelassen. In diesem Moment der Unaufhaltsamkeit des Schicksals, gegen das Julie nicht mehr anschreien kann, dreht sich das Karussell des Lebens plötzlich wirbelnd schnell.
Frank Becker
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