Künstlerinnengruppe HAI in Wuppertal

Der Text zur Vernissage am 1. Februar

(Red.)
Künstlerinnengruppe HAI

Vernissage am 01.02.09 in der Praxis Drs. Vesper
 Bergstr. 7, 42105 Wuppertal
 


„Am Anfang stehen die Malerinnen und sitzt der Redner, der zur Vernissage sprechen soll, vor einem unsagbar leeren Blatt. Mit dem Dilemma des leeren Blattes muß man erst mal fertig werden. Was bei den Malerinnen aus diesem Dilemma des leeren Blattes geworden ist, können Sie gleich selbst sehen. Wie der Redner damit fertig geworden ist, müssen Sie jetzt hören.
Es handelt sich heute hier um die 11. Ausstellung in der Praxis. Zuletzt sahen wir die Bilder von Ines Pröve-Hesse (2006), davor die Fotografien von Karl-Heinz Krauskopf, von dem auch diese große Bildfahne hier im Treppenhaus mit der in der Wupper gespiegelten Schwebebahn stammt, und 2004 sahen wir die Gemälde von Anja Manderbach.
 
Hier und ab heute sehen wir jetzt Bilder von Hanne Gros, Inge Klann-Saß und Andrea Furchheim. Die
 
Andrea Furchheim - Lichtblick Foto © Johannes Vesper
Idee zu dieser Ausstellung entstand währen unseres Besuches  in Hannover bei Hanne Gros im Sommer letzten Jahres.  Im November lernten wir die beiden anderen der Gruppe kennen, sahen  auch ihre Bilder und besuchten das Atelier der Gruppe. Zum Besuch dieses Ateliers braucht man Mut und Durchhaltevermögen. Der große Raum befindet sich hinter einer gelben Tür in einer riesigen, stillgelegten Fabrik mitten in einer Industriebrache. Über hohe Treppen gelangt man in eine Fabrikhalle mit umlaufender Galerie, dann erscheint diese gelbe Tür und dahinter findet sich das Atelier mit Bildern, mit 2 großen Tischen, mit Farben, Spachteln, Pinseln und weiteren Utensilien. Die drei Künstlerinnen leben und arbeiten alle in Hannover und haben sich  2006 zusammengeschlossen. Sie wollen gemeinsam Ausstellungen organisieren und gemeinsam das Atelier nutzen. Sie sprechen von einer Produzentengalerie und nennen ihre Künstlerinnengruppe HAI. Dabei handelt es sich um ein Akronym aus den Anfangsbuchstaben der Vornamen. Jede der Künstlerinnen pflegt ihren eigenen Malstil. Aus dem Zusammenschluß der  Gruppe und der regelmäßigen Zusammenarbeit ergeben sich selbstverständlich gegenseitige künstlerische Anregungen und trotzdem oder auch deswegen bei der Bearbeitung eines gemeinsamen Themas auch für sie selbst immer wieder erstaunliche Individualismen. Ob die Kreativität des einzelnen in der Gruppe zunimmt, ist nach Auffassung von Psychologen fraglich.  Psychologen erforschen  ja seit Jahrzehnten  die menschliche Kreativität, können sie aber nicht messen, während sie ja Intelligenz durch einschlägige Tests messen zu können glauben. Psychologen meinen, Kreativität sei nicht erlernbar und Psychologen meinen, kreative Menschen seien ziemlich normal, fleißig, gesellig und verträglich (habe ich alles jüngst in der Zeitung gelesen). Alle diese Eigenschaften treffen auf unsere Künstlerinnen heute jedenfalls zu. Sie sind aber natürlich vor allem kreativ und  haben für ihre Ausstellung hier den Titel „Aufbruch“ gewählt. Es handelt sich nämlich um ihre erste Ausstellung als Gruppe außerhalb von Hannover. Man wird also gespannt sein dürfen, wohin dieser Aufbruch noch führt.
 
Alle drei Künstlerinnen benutzen gerne leuchtende Farben. Es werden Öl-  und Acrylfarben verwendet. Firnis wird nicht aufgetragen. Sie haben zusammen Kurse bei Eckhardt Wesche belegt und sich die Acrylmalerei bei Frank Rosenthal angeeignet. Alle drei Künstlerinnen  malen im Wesentlichen ungegenständlich. Aber bei Inge Klann-Sass sieht man doch immer wieder auch Gegenständliches wie z.B. eine Ziegelmauer oder Architektur oder geometrische Elemente, die an Josef Albers

Inge Klann-Sass - Sonnenaufgang 
Foto © Johannes Vesper 
erinnern. Sie setzt sich kontrolliert mit der Farbigkeit ihrer Bilder auseinander. Einfache geometrische Kategorien strahlen vor allem die Affektbeherrschung der Künstlerin aus. Affektbeherrschung und Geometrie sind ihr wichtig. Beim Betrachter können gelegentlich auch landschaftliche Impressionen mit Horizont und Sonnenuntergang assoziiert werden. Durch eine Reise nach Andalusien wurde die Farbgebung  der letzten Monate angeregt.
 
Hanne Gros malt seit vielen Jahren. Ihre Bilder in Öl und Acryl sind nicht eigentlich gegenständlich  Sie fängt  zwar oft an, gegenständlich zu malen, übermalt dann aber eine solche gegenständliche Skizze, in dem sie Farben darüber spachtelt oder verdünnte Farben darüber gießt. Insofern überwindet sie die gegenständliche Malerei. Der Titel gibt weitere Hinweise auf das, was hinter der Oberfläche des Bildes verborgen ist bzw. eben sichtbar wird. Hanne Gros möchte „den Betrachter hinter die oberste Malschicht entführen“ so sagt sie uns und so sieht man gelegentlich wie hinter einem Schleier etwas, was an Gegenständlichkeit denken lässt und die Phantasie des Betrachters anregt.
 
Auch Andrea Furchheim  malt seit vielen Jahren. Auch sie malt sowohl in Öl als auch in Acryl. Ihren Bildern sieht man die Bewegung an: Da wird schwungvoll gespachtelt, ihre innere Bewegung widerspiegelnd. Die Bilder entwickeln sich spontan während der Arbeit daran und werden damit zur authentischen Darstellung eigener Emotionen. Für die Darstellung eigener künstlerischer Emotionen ist eine gegenständliche Malerei nicht erforderlich, vielleicht sogar weniger geeignet, und so ist es - kurzer Exkurs in die Kunstgeschichte - wahrscheinlich kein Zufall, daß mit der Entstehung der Psychoanalyse, in der ja Emotionen erforscht und diskutiert werden, die gegenständliche Malerei ihren Rückzug antritt. Es war eine  Frau, nämlich Sonja Delaunay, also die Frau von Robert Delaunay, die 1913 erste abstrakte Bilder malte - vor ihrem Mann, vor Kandinsky und vor Mondrian. Dabei gilt aber Frantisek Kupka (1871-1957) als eigentlicher Erfinder der abstrakten Malerei, da er bereits

Hanne Gros - Korkeiche - Foto © Johannes Vesper
1912 in Paris erstmals abstrakte Bilder ausstellte. Und schon Caspar David Friedrich äußerte, daß der Maler nicht bloß malen solle, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht“(zitiert nach Börsch-Supan 1973).
 
Bei allen diesen Gemälden ist der alte Konflikt in der Malerei zwischen Zeichnung und Farbe zugunsten der Farbe entschieden worden. . „Was das Schöne sei“ ist eine philosophische Frage, an deren Beantwortung  sich von Sokrates bis Kant und darüber hinaus viele versucht haben. Eine Antwort ist nicht einfach. Diese Bilder hier werden aber beim Betreten der Räume erlebt. Auf eine theoretische Diskussion zur Ästhetik kann verzichtet werden.
 
Worin besteht der Wert dieser Gemälde? In der Arztpraxis haben diese Bilder verschiedene Funktionen und  unterschiedliche Werte. Einmal ist es natürlich  innenarchitektonisch eine Attraktion und ein Erlebnis, wenn man bei Betreten der Praxis in eine  Welt so schöner und so farbiger Bilder kommt. Weibliche Pragmasie der Künstlerinnen läßt  zu, die Bilder je nach Wandsituation oder Vorliebe des Betrachters unterschiedlich zu hängen. Wenn also Querformat besser paßt, kann das Gemälde im Querformat, in anderer Situation durchaus dann aber auch gedreht und als Hochformat gehängt werden. Die Bilder sind deswegen auch auf dem Rahmen und nicht auf dem Gemälde selbst signiert. In unserer Arztpraxis ergeben sich zusätzlich  vor allem mit Patienten, die unter persönlichen Konflikten leiden, immer wieder Gespräche über diese Bilder. Solche Patienten-Gespräche ergaben sich schon vor der Vernissage, als erst einige Bilder in der Praxis hingen. Für das Emotionale der Oberfläche und  das Emotionale in der Tiefe dieser Bilder hinter der Oberfläche hat der an seiner Situation leidende Patient ein Sensorium. Vielleicht  bemerkt er, daß Hanne Gros mit dem Farbguss über das Blatt ihre Seele erleichtern kann, was dem Patienten hoffentlich im ärztlichen Gespräch auch gelingen wird.
 
Wie steht es mit dem ökonomischen Wert dieser Bilder? Wie immer ist die ökonomische Betrachtung der Dinge platt. Ist der Wert eines Gemäldes der Preis, der dafür bezahlt wird? Nein. Das gilt nur für den Kunstmarkt, der für den normalen Kunstliebhaber wegen der Unsummen, die dort umgesetzt werden, in der Regel unzugänglich bleibt. Auf dem Kunstmarkt entstehen im Wechselspiel zwischen Dummheit und Übertölpelung Marktpreise, die als Kriterien für die Qualität der Kunst wohl nicht taugen.  Literarisch wurden diese Zusammenhänge glänzend und unterhaltsam von Pierangelo Masset in seinem kleinen Roman „Laura oder die Tücken der Kunst“, Kook books 255 S., bearbeitet. Das Buch ist lesenswert. Bei uns hier ist das alles ganz anders. Hier haben die ausgestellten Bilder keinen Warencharakter. Hier kann sich der Kunstliebhaber an den farbigen Bildern freuen und sie sogar zu erschwinglichen Preisen erwerben, um sich zu Hause weiter daran zu freuen. Wie immer verkaufen die Künstler direkt. Unsere Praxis bietet nur die Räumlichkeit und wir haben den Vorzug, daß wir für eine gewisse Zeit die Bilder hier hängen haben und uns daran freuen können“. 
Johannes Vesper
 

Der Text zur Vernissage
wurde der Musenblätter-Redaktion freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Zur Eröffnung spielten Benedikt Fritzsching und Ben Schneider (Heidelberg) Jazz-Piano und Cajon.
Die Ausstellung ist bis Ende Mai 2009 während der Praxisöffnungszeiten zu sehen.
Redaktion: Frank Becker