Das ganze Universum ist völlig wahnsinnig!

"Pension Schöller" am Landestheater Coburg

von Alexander Hauer
„ Die Gnocke, von Friedrich Schinner“
Pension Schöller
am Landestheater Coburg
 

Inszenierung: Frank-Lorenz Engel | Bühnenbild: Hans Winkler | Kostüme: Cornelia Nier | Dramaturgie: Christof Wahlefeld
Besetzung:  van Mühlen, Major a.D.: Thomas Straus | Josephine Zillertal, Schriftstellerin: Elga Mangold | Prof. Bernhardy, weltreisender Wissenschaftler: Helmut Jakobi | Alfred Klapproth, Neffe von Klapproth: Lars Kopmann | Ulrike Klapproth, Schwester von Klapproth: Anja Lenßen | Philipp Klapproth, Gutshofbesitzer aus Kyritz: Stephan Mertl | Schöller, Inhaber der Pension Schöller: Niklaus Scheibli | Frederike Schöller, Tochter von Schöller: Kathrin Molsberger | Eugen, Mündel von Schöller: Nils Liebscher | Hans, ein Kellner: Klaus-Dieter König
 
Einladung zum Vergnügen

Die Welt ist ein Irrenhaus. Leider trifft es wirklich zu, wenn man sich die vielen kriegerischen Konflikte auf dem Erdball anschaut. Wie schön ist es da, wenn man einen kleinen Ausflug in sichere Gefilde machen und einen mehr als vergnüglichen Abend im kleinen aber feinen Landestheater Coburg verbringen darf. Die 1890 von Wilhelm Jacoby und Carl Laufs geschrieben Posse „Pension Schöller“  war der Fahrschein für diese Reise. Frank-Lorenz Engel brachte das Theaterhaus mit der Bearbeitung durch Jürgen Wölffer zum Kochen. Die Handlung, in das Berlin der 50er Jahre gelegt, ignoriert zwar die politischen Umstände dieser Zeit, aber das dürfte im Jahre 19 nach der Wiedervereinigung nur noch eine geringe Rolle spielen. Dem Stück selbst hat es nicht geschadet.
 
Conny und Peter lassen grüßen

Das Bühnenbild Hans Winklers zeigt im ersten Akt ein Berliner Tagescafé genau im Stil der so beliebten Conny und Peter-Filme der Zeit, im zweiten Akt ein gutbürgerliches Landhaus inklusive aller Klischees, die man so kennt. Die Kostüme Cornelia Niers sind entsprechend. Mondäner Chic für die Großstadtbevölkerung, bester Landhauslook vergangener Zeiten für die Provinz. Doch für alle, die dieses Meisterwerk der Gründerzeitkomik nicht kennen sollten ein kleiner Abriß der Handlung. Phillip Klapproth, Gutsbesitzer aus Kyritz (an der Knatter), möchte bei einem Besuch in Berlin einmal ein Irrenhaus besichtigen, um seine Stammtischbrüder, allen voran dem Apotheker, mit seinen Erlebnissen zu imponieren. Den Zutritt zu diesem Haus, soll sein in Berlin studierender Neffe ermöglichen. Der junge Klapproth ist auch bemüht, da ihm eine höhere Summe als Belohnung winkt, doch fehlt es ihm an einer zündenden Idee. Diese liefert der Kellner Hans, da doch in der Pension Schöller regelmäßig Gesellschaftsabende stattfinden. Dort lernt Onkel Klapproth die Schriftstellerin Zillerthal, den suspendierten Major van Mühlen, den angehenden Schauspieler Eugen (inklusive seines Sprachfehlers) und andere illustre Mitglieder der Gesellschaft kennen. Dies alles unter der Prämisse, diese seien Insassen einer „Klapsmühle“. Klaproth genießt sein Abendteuer bei den vermeintlich „Bekloppten“, schließt jovial mit allen Freundschaft und stürzt aus allen Wolken, als die Bande ihm im zweiten Akt zu Hause in Kyritz heimsucht.

 
Lustspiel der Königsklasse

Doch zurück zur Inszenierung. Die Komödie gehört meines Erachtens zur Königsklasse und erfordert die besten Kräfte. Wie schön, wenn einem Regisseur ein geschlossenes Ensemble zur Verfügung steht und er aus dem Vollen schöpfen kann. Mit dem Hinweis „Hingehen“ könnte man nun schließen, aber man sollte doch das Ensemble doch etwas genauer unter die Lupe nehmen, doch wo beginnen. Nehmen wir das junge Liebespaar (denn ein Liebespaar gehört natürlich dazu). Lars Kopmann als Klapproths Neffe Alfred gibt den flotten 50ies Boy in der Marlon Brando Rockerjacke genauso überzeugend wie im Smoking bei der Abendgesellschaft. An seiner Seite Kathrin Molsberger als Frederike Schöller. Sie ist das selbstbewußte Mädchen aus der Großstadt, schön, gewandt und mit kessem Auftreten. Anja Lenßen ist die vielleicht für diese Rolle zu junge schöne Schwester von Klapproth, die Angst hat, im ländlichen Kyritz als Haushälterin ihres Bruders zu versauern. Ihr kluges Auftreten wird von ihrem Bruder unterbunden und sie fügt sich scheinbar seien Wünschen.
 
Kabinettstücke

Die Bewohner der Pension Schöller machen aus ihren Rollen stets einen „Einakter“. Thomas Straus als Major a.D., der seine Kriegserlebnisse noch nicht überwunden hat, gibt einen wunderbaren Kommißkopp, der bei mir „bittersüße“ Erinnerungen an meine Zeit beim Bund hervorrief. Stets etwas zu laut, immer etwas zu selbstsicher und immer die Schuld beim anderen suchend bestach er in seiner Rolleninterpretation. Elsa Mangold als Josephine Zillerthal, Schriftstellerin auf Motivsuche, gelang die Gratwanderung zwischen der Tragik der alleinstehenden Frau und der autarken Kunstschaffenden aufs Beste. Helmuth Jakobi bestach mit seinem weltgewandten Prof. Bernhardy, immer auf der Flucht vor der Realität hinein ins nächste Abenteuer. Die textschwierigste Rolle dürfte wohl Eugen, der Schauspieler mit Sprachfehler sein. Fast einen ganzen Abend kein „L“ sprechen zu dürfen und dann für die letzten Minuten in den normalen Sprachfluß umzuspringen, verlangt höchste Disziplin, Nils Liebscher hat sie. Dann wäre da noch Niklaus Scheibli als Direktor dieser Menagerie. Er gibt den überforderten Pensionsbesitzer und ehemaligen Sänger aufs Vortrefflichste, seine von Selbstzweifeln und -Überschätzung geplagte Existenz ist herzergreifend komisch. Ihm zur Seite der Kellner Hans. Klaus-Dieter König liefert einen schnodderigen Berliner Kaffeehausober ab, der sich gewaschen hat. Das Wort „Freundlichkeit“ scheint für dieses Original aus einer anderen Welt zu stammen, sein Berliner Mutterwitz überdeckt nur mangelhaft seine Unverschämtheit. Ja, und dann gäbe es noch das Oberprovinzei in der Metropole. Stephan Mertl gibt den provinziellen Trottel aufs Beste. Seine Rollengestaltung als liebenswerter Depp prägt den ganzen Abend.
 
Doch wie so oft ist auch hier das Ganze mehr als die Summe seiner Teile. Der Abend konnte nur deshalb so gelingen, weil das Ensemble als geschlossene Einheit auftrat. Mit fast halbstündigen Applaus entließ das begeisterte Premierenpublikum das Ensemble in die verdiente Premierenfeier.
 
Weitere Informationen unter: www.landestheater-coburg.de

Redaktion: Frank Becker