Die Oper und die Italiener

Apulische Impressionen

von Konrad Beikircher

Konrad Beikircher
Foto © Frank Becker
Die Oper und die Italiener
 

Niemand auf der Welt hat eine so eigene und innige Beziehung zur Oper wie der Italiener. Sie ist – auch wenn natürlich nicht jeder Italiener in die Oper geht – sein Heiligstes. Wenn Sie verstehen möchten, was das Besondere an diesem Verhältnis ist, fahren Sie doch mal nach Apulien, z.B. nach Montesardo. Am Besten im Juli, weil da eine Woche lang gefeiert wird. Da steht auf der Piazza die Banda, die Blaskapelle, drumherum spielen die Kinder, die Jugendlichen flirten, die Erwachsenen plaudern und die Alten schauen dem Treiben zu. Die Banda besteht aus Polizisten, Feuerwehrleuten und ein paar Militärs, sie spielt in Uniform und sie spielt das ganz große Kino: Verdi, Bellini, Puccini. Sie spielt zuerst Ouvertüren (unverzichtbar „La forza del destino“), und dann geht’s aufs Ganze: die großen Arien aus der Norma, Traviata, Aida, Tosca, Bohème. Und plötzlich ist der Platz wie verwandelt. Alle, ich betone: alle: Kinder, Greise, Verliebte, Eltern, alle singen mit. Aber nicht „La la la“, nein, den ganzen Text, auch die Kinder.

Und bei „Nessun dorma“ stehen 50 Hobby-Tenöre wie eine 1 da und schmettern das hohe C in den nächtlichen Himmel, daß es einem heiß und kalt den Rücken runterläuft. In diesem Moment spürst du, daß die Oper das Herz des Italieners ist; nichts ist seiner wahren Seele näher, ob er jemals eine Oper von innen gesehen hat oder nicht. Und wenn in Italien nicht annähernd so viele Opernhäuser stehen wie bei uns, so spielt das keine Rolle: Die Opern selbst gehören ihm, dem Italiener. Verdi, Bellini, Donizetti, Puccini, Leoncavallo und wie sie alle heißen, sind nationales Eigentum. Natürlich nicht rechtlich, wann hätte das den Italiener schon interessiert, nein, sie gehören dem italienischen Herzen. Unveräußerlich. Und eines weiß ich ganz genau: Verdi und seine Freunde sind stolz darauf!


© Konrad Beikircher