Die Farbe des Wassers / Der Sonnenwind

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer
Die Farbe des Wassers
 
Die → gleichen Flugzeugpassagiere wundern sich vielleicht auch über die Gestalten und Farben von Wolken, die aussehen wie Schaumkronen. Wolken bestehen aus Wassertröpfchen in unterschiedlichsten Größenordnungen, was dazu führt, daß wie bei Schaumkronen alles Licht von ihnen in die verschiedensten Richtungen gestreut wird. Das läßt sie weiß aussehen, zumindest so lange, bis sich zu viel Wasser in den Wolken ansammelt und der Himmel grau und immer dunkler wird.
Aus kosmischen Höhen zeigt unsere Erde die schöne Farbe Blau. Das unterscheidet den Heimatplaneten der Menschen von der sandgelben Venus und dem eisensteinroten Mars. Warum der Himmel von der Erde her - also von unten aus - blau erscheint, → wurde eben erläutert. Aber Warum sieht die Erde auch umgekehrt vom Himmel aus betrachtet blau aus? Die Kontinente lassen andere Farben erkennen - grüne Wälder und braune Wüsten zum Beispiel. Aber dort, wo der Blick auf die Erde keine Erde, dafür aber Wasser erkennen läßt, zeigt sich die Farbe Blau, die auf diese Weise drei Viertel der irdischen Oberfläche ausmacht. Das Meer ist tatsächlich blau, aber das trifft auch für reines Wasser zu, das stets einen Blauschimmer erkennen läßt. Das Licht wird in diesem Medium gestreut wie am Himmel, und dieses Zerstreuen nimmt zu, wenn sich gelöste Stoffe im Wasser befinden, wie dies im Meer der Fall ist. Insgesamt erscheinen tiefe Ozeane blauer als flache Küstengewässer, was allerdings nicht die ganze Farbenpalette erklärt, zu der auch das schimmernde Türkis in den Lagunen von Korallenriffen oder das dunkle Grün an den Nord- und Ostseestränden gehört. Es ist nicht nur die Physik, die die Farben des Wassers erklärt, auch die Biologie trägt ihren Anteil dazu bei, indem sie verdeutlicht, daß das tiefe Blau des offenen Ozeans Rückschlüsse auf eine geringe Fruchtbarkeit erlaubt. Deshalb ist in der Literatur auch von der „Wüstenfarbe“ des Meers zu lesen.
 
 
Der Sonnenwind
 
Neben den Lichtstrahlen sendet die Sonne vom Himmel auch das aus, was in der Wissenschaft als „Sonnenwind“ bezeichnet wird und aus elektrisch geladenen Teilchen besteht, aus Elektronen und Protonen. Trifft dieser Strom auf die Erdatmosphäre, nehmen die sich dort tummelnden Luftmoleküle die Energie der Sonnenwindbestandteile erst auf, um sie in angeregter Form wieder abzugeben, und zwar als Licht. Dabei kommt eine höchst eindrucksvolle Leuchterscheinung zustande. Am Himmel zeigt sich eine Aurora, wie das grünlich scheinende Polarlicht genannt wird, das Menschen zu allen Zeiten beeindruckt hat. Man kann sich vorstellen, daß diese Himmelserscheinungen in den Polregionen der Erde in alten Zeiten wie die Regenbogen auf alle möglichen Weisen gedeutet wurden - die flüchtigen Polarlichter meistens als mystischer Zauber oder Vorboten einer schicksalhaften Veränderung.
Doch der Sonnenwind hat es noch aus anderen Gründen in sich. Zum einen scheint seine Energie groß genug zu sein, um das Leben auf der Erde zu bedrohen, wenn er ungehindert auf die Oberfläche des Planeten treffen würde. Dies wird zum allgemeinen Glück aller Menschen verhindert, weil der energiereiche Strom aus den geladenen Teilchen durch das Magnetfeld der Erde zu den Polen hin abgelenkt wird. Dies erklärt nicht nur, weshalb die eindrucksvollen atmosphärischen Leuchterscheinungen auf die dortigen Regionen beschränkt bleiben. Es führt auch zu der Frage, wer für das Magnetfeld der Erde sorgt, ohne dessen Hilfe das Leben nicht existieren könnte.
Die Antwort darauf scheint für Physiker kein Problem zu sein. Sie sprechen von einem Dynamoeffekt, der von dem Erdkern ausgeht, der in etwa 3000 Kilometer Tiefe im Wesentlichen als flüssiges Eisen vorliegt, wie die Geologie bestätigt. Das Strömen der elektrisch leitfähigen Materie induziert zusammen mit der Erdrotation das rettende Magnetfeld, worüber sich ebenso trefflich staunen läßt wie über die Tatsache, daß der Sonnenwind bei seiner kosmischen Reise zur Erde unterwegs auf Asteroiden trifft und aus ihnen Sauerstoff herausschlagen kann. Verbindet sich dieses Element mit dem Wasserstoff im Wind, entsteht das Wasser, von dem es so viel gibt, daß manche meinen, die Erde sollte nach diesem flüssigen Element benannt werden. Es gibt Wissenschaftler, die mit diesem chemischen Prozess die Frage beantworten, wie das Wasser auf die Erde gekommen ist.
Als sich die Erde vor ein paar Milliarden Jahren aus der Wolke herausschälte, die damals das Sonnensystem bildete, war sie viel zu heiß, um Wasser festhalten zu können. Das als Flüssigkeit benötigte Lebenselixier muß seinen eigenen Ursprung haben, und der Sonnenwind kann den Menschen vielleicht die dazugehörige Geschichte erzählen. Es fällt auf, daß seine Energie nicht nur die Voraussetzungen für das Leben schafft, sondern sie zugleich bedroht. Eine delikate kosmische Balance.
 
 
© Ernst Peter Fischer
 
aus: „Warum funkeln die Sterne?“
Die Wunder der Welt wissenschaftlich erklärt
© 2023 C.H. Beck
Veröffentlichung in den Musenblättern mit freundlicher Erlaubnis des Autors.