Die Farben des Regenbogens

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer
Die Farben des Regenbogens
 
So könnte man endlos weiterfragen, um dem oftmals prachtvollen Farbenspiel der Dinge auf die Schliche zu kommen, mit dem sich das wissenschaftliche Denken spätestens seit den Tagen von Isaac Newton zu Beginn des 18. Jahrhunderts methodisch beschäftigt. Damals lenkte der englische Physiker einen weißen Strahl, der vom Himmel in sein Zimmer kam, auf ein Prisma, aus dem ein Spektrum an Farben heraustrat. Newton kam zu dem Schluß, daß sich in dem natürlichen Sonnenlicht die bunte Welt verbirgt, die zum Beispiel ein Regenbogen zeigt. Das geometrische Farbenspiel am Himmel hat Menschen zu allen Zeiten fasziniert, und es ist häufig als Zeichen der Götter gedeutet oder als etwas verstanden worden, das zwischen der dies- und der jenseitigen Welt vermittelt. Daß sich die Farben des Himmelsbogens nur in Verbindung mit Regentropfen oder Wasser in anderer Form zeigen, hat früh zu Überlegungen geführt, daß das eindrucksvolle Spektrum sich den physikalischen Prozessen in den Wassertröpfchen verdankt. In Schulbüchern werden Brechung und Beugung unterschieden. Wenn ein weißer Lichtstrahl auf eine Wasseroberfläche oder einen Glaskörper trifft, wird er bei seinem Eintritt abgelenkt oder gebrochen. Jeder Farbanteil erfährt seine spezifische Umleitung (wobei das genaue Geschehen geheimnisvoll bleibt). Die Lichtbrechung erlaubte es Newton, mit Hilfe eines Prismas die spektrale Fülle der Farben zu generieren und mit ihr die Erklärung des Regenbogens zu versuchen. Man muß dazu im Detail verfolgen, wie sich Lichtstrahlen durch und in Wassertröpfchen bewegen, worauf hier verzichtet wird.

     In der Zeit, in der Newton mit Hilfe seines Prismas das Sonnenlicht in sein Spektrum auffaltete, verfügte er noch nicht über genaue Vorstellungen von der Natur des Lichts, und so konnte der große Physiker das Zustandekommen der Farben nicht wirklich erklären. Der im mechanischen Denken erfahrene Newton nahm an, daß Licht aus einem Strom aus winzigen Kügelchen (Partikeln) bestehe und sich die roten von den grünen Teilchen durch deren Größe unterscheiden ließen. Dabei bleibt bis heute offen, wie viele Farben der große Brite insgesamt in dem Spektrum mit seinen eigenen Augen und dem ihm verfügbaren Prisma ausmachen konnte. Wer das aus dem 18. Jahrhundert stammende und in einem Museum aufbewahrte optische Gerät heute zur Hand nimmt und Licht hindurchtreten läßt, kann bestenfalls vier Farben erkennen und wundert sich, daß Newton das komplette Septett aus sieben Farbtönen beschrieben hat, wie man es heute mit modernen Prismen und intensiven Strahlen sichtbar machen kann. Ein vollständiges Spektrum besteht aus Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo und Violett. Anders als Newton beschreibt die heutige Physik diese als "rein" bezeichneten Farben - genauer: die dazugehörigen Lichtstrahlen - bevorzugt als Bewegung von Wellen und charakterisiert sie folglich durch ihre Wellenlängen, die sie in Nanometern angibt. Ein Nanometer (nm) meint 109 Meter, was schwer vorstellbar ist, aber niemanden daran hindern muß, die Auskunft zu verstehen, daß rotes Licht mit etwa 700 nm die größte Wellenlänge der Spektralfarben aufweist, während sich Violett mit etwa 400 nm durch die kleinste auszeichnet.

     Der Vorschlag, Licht als eine Welle zu verstehen, findet sich zum ersten Mal bei dem Holländer Christiaan Huygens. Allerdings verzichtet er in seinem Traite' de la lumière von 1690 auf eine Erörterung der Farben, mit der Begründung, daß er dieses Thema für sehr schwierig halte: "vor allem wegen der vielen verschiedenen Arten, wie Farben produziert werden". Eine bessere und sorgfältig ausgearbeitete Theorie des Lichts und der Farben verdankt die Menschheit dem schottischen Physiker James Clerk Maxwell, der sich im 19. Jahrhundert mit elektrischen und magnetischen Feldern beschäftigt und dabei bemerkt hat, daß sie miteinander wechselwirken und elektromagnetische Wellen mit unterschiedlichen Frequenzen hervorbringen können. Seine Theorie erlaubte es Maxwell sogar, die Geschwindigkeit zu berechnen, mit der sich solch eine Welle ausbreitet. Damit schien seine Wissenschaft nicht nur die Natur des Lichts verstanden zu haben. Die Menschen lernten dank Maxwell auch erstmals die heute so berühmte Lichtgeschwindigkeit kennen, die eine besondere Rolle in der Physik spielt, seit Albert Einstein aufgetaucht ist, über Raum und Zeit nachgedacht und seine revolutionären Überlegungen mit der Festlegung eingeleitet hat, daß die Lichtgeschwindigkeit eine Konstante der Natur ist. Einstein spielt im Folgenden noch eine große Rolle, doch zunächst soll es reichen, daß Newton den Menschen das Spektrum geschenkt hat und ihnen damit erstmals die Farben verständlich machen konnte.
 
Konnte er das wirklich ...?
 
© Ernst Peter Fischer
 
aus: „Warum funkeln die Sterne?“
Die Wunder der Welt wissenschaftlich erklärt
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Veröffentlichung in den Musenblättern mit freundlicher Erlaubnis des Autors.