Sehen lernen ist alles
Ein Cicerone durch die moderne Kunst
aus der Sicht eines Zeitgenossen
„Die restlose Hingabe an seinen natürlichen
Instinkt macht den Künstler zum Helden.“
Julius Meier-Graefe
Solche wie Julius Meier-Graefe (1867-1935) gibt es heute kaum noch. Mit klarem Blick und sicherer Meinung, mit unvergleichlichem Einfühlungsvermögen und genußreicher Sprache wußte der Kunst- und Kulturkritiker in eloquenten Essays die künstlerische und gesellschaftliche Entwicklung um die Zeit der vorigen Jahrhundertwende und danach zu erklären, zu kommentieren, zu loben oder sie gar zu verreißen. Sachlichkeit war ihm grundsätzlich, Überzeugungskraft beim Lob und Ironie bei den letztgenannten Sottisen und Gardinenpredigten das Mittel der Wahl. Ein Könner.
Der studierte Ingenieur fand seine Bestimmung jedoch in der Kunstgeschichte, allem zuvor in der Betrachtung und Förderung des französischen Impressionismus. Nach seiner Mitwirkung in der Kunstzeitschrift Pan und dem streitbedingten frühen Ausscheiden dort verlegte Meier-Graefe zwar seinen Lebens- und Schaffensmittelpunkt nach Paris, blieb aber der deutschen Kulturszene, nicht zuletzt durch seine Mitarbeit an der Zeitschrift Dekorative Kunst erhalten.
Als Verfasser zahlreicher Bücher und Schriften mit Schwergewicht bei den französischen Impressionisten (Corot, Cézanne, Renoir, Delacroix, Manet, Degas, Courbet u.a.), aber auch über Hans Von Marées, Arnold Böcklin, Max Beckmann, Felix Valloton oder Edvard Munch erreichte er eine breite Leserschaft, galt als „enfant terrible“ der Kunstpublizistik war ein Provokateur, aber zugleich eine anerkannte Institution der Kritik.
Der Publizist Bernhard Echte, Gründer des Nimbus Verlags, dem schon etliche andere aufsehenerregende Editionen zu verdanken sind (u.a. zu Robert Walser, Hugo Ball, Marieluise Fleißer, Emmy Hennings, Rudolf Utzinger und Franz Hessel), legt nun mit einem umfangreichen Anmerkungs-Apparat in seinem Verlag unter dem Titel „Kunst Kulissen Ketzereien“ eine repräsentative und wertvolle Auswahl der Schriften Julius Meier-Graefes vor, die den Essayisten von einer unbekannten Seite zeigen sollen. Entstanden ist ein Lesevergnügen besonderer Art, das uns teilnehmen läßt an Meier-Graefes Reisen zu internationalen Ausstellungen und Kunstereignissen, seinen Begegnungen mit Künstlern, Galeristen und Sammlern und seiner sich zur Genialität kristallisierenden Sicht auf die Entwicklung der modernen Kunst seiner Zeit.
Unbegrenzt haltbar? Der Name der literarischen Reihe im Nimbus Verlag verspricht für diesen Band wahrlich nicht zuviel. Mit dem köstlichen Kompendium kluger, ja amüsanter Kunst-Kritik (ich liebe ganz besonders das Kapitel über die Darmstädter Künstlerkolonie „Mathildenhöhe“) haben wir einen eleganten Schatz eloquenter Aufarbeitung der Kunstentwicklung rund um das Fin de Siècle und paar Jahrzehnte darüber hinaus in der Hand, dessen Halbwertzeit uns lange überdauern wird. Wir bedanken uns bei Verlag und Herausgeber für dieses herrliche Buch mit unserem Prädikat, dem Musenkuß.
Julius Meier-Graefe – „Kunst Kulissen Ketzereien“
Denkwürdigkeiten eines Enthusiasten - Herausgeber: Bernhard Echte
© 2023 NIMBUS Verlag, 591 Seiten (inkl. Anmerkungen), Halbleinen, zahlreiche s/w-Illustrationen, Lesebändchen – ISBN: 9783038500780
Serie: unbegrenzt haltbar - Band 9
38,- €
Weitere Informationen: www.nimbusbooks.ch
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