Italienisch Roulette

„Das perfekte Geheimnis“ von Paolo Genovese im Wuppertaler TiC Theater

von Frank Becker

Noch ist alles in Ordnung - v.l.: Heußel, Gleser, Deer, Gottschalk (dahinter Güldenring), Jestel - Foto © Martin Mazur

Italienisch Roulette
 
oder:
 
Ein Spiel mit den Möglichkeiten
 
„Das perfekte Geheimnis“
 
von Paolo Genovese im TiC Theater
 
Inszenierung: Ralf BuddeBühne: Jan Bauerdick & Benedikt OgioldaKostüme: Maya Fichtel – Regieassistenz: Marie Vaupel, Kerstin Trant
Mit: Rocco: Christoph Güldenring – Eva: Christina de Bruyckere-Monti – Sofia: Lina Bonrath – Raffaele: Christof Heußel – Carlotta: Saskia Deer – Cosimo: Dennis Gottschalk – Bianca: Nina Jestel – Giuseppe: Leon Gleser
 
Die Geschichte, nach erfolgreichen Verfilmungen landauf, landab auch auf den Bühnen gespielt, ist schnell umrissen: Sieben Personen, ein eingeschworener Freundeskreis, treffen zu einer entspannten sommerlichen Abendgesellschaft auf dem Dachgarten von Schönheitschirurg Rocco (souverän: Christoph Güldenring) und seiner Frau, der Psychotherapeutin Eva (notorisch übergriffig: Christina de Bruyckere-Monti) zusammen. Natürlich hat jeder sein Smartphone dabei, und aus einer Laune heraus wird, zunächst gegen einzelne Widerstände ein Spiel begonnen: jeder legt, man hat ja keine Geheimnisse, sein Telefönchen auf den Tisch und jede eingehende Nachricht, jeder Anruf soll für alle mithör- bzw. lesbar sein. Ein gefährliches Spiel, denn Geheimnisse hat dann schließlich doch jeder auf die eine oder andere zerstörerische Weise.
 

Die Kugel rollt - v.l.: Gleser, Heußel, Jestel - Foto © Martin Mazur

Was wie eine Komödie klingt und beginnt, entwickelt sich recht bald zu einem Spiel mit dem Feuer, einem russisch Roulette mit gefüllten Kammern, zu einer galligen, bitterbösen Gesellschaftssatire, die tiefe Scharten in das Leben der Beteiligten reißt – oder zu reißen im Stande wäre, würde es sich tatsächlich so entwickeln, wie von Paolo Genovese in seinem scharfsinnigen Drehbuch entworfen und von Sabine Heymann brillant ins Deutsche übertragen. Hier einzelne Handlungsstränge konkret aufzurollen, würde dem künftigen Zuschauer zuviel Überraschung wegnehmen, denn das Stück ist wendungsreich und reich an solchen – und: wer den deutschen Film gesehen hat, kennt das Bühnenstück nicht wirklich.

Nun, es kann verraten werden, daß Carlotta (unverhohlen liebeshungrig und blutvoll: Saskia Deer) gleich zu Beginn heimlich unter dem Rock ihren Slip auszieht, ihr Mann Raffaele (gekonnt unangenehm: Christof Heußel) mit fatalen Folgen sein Telefon mit dem Giuseppes tauscht und Giuseppe (feinsinnig: Leon Gleser) aus später nachvollziehbaren Gründen sein neues Verhältnis nicht mitgebracht hat. Ach ja, und Taxi-Unternehmer Cosimo (ein Strizzi aus dem Bilderbuch: Dennis Gottschalk) hätte sein Smartphone besser gar nicht mitgebracht …, während Nina Jestel überzeugend seine verliebte, schließlich bitter enttäuschte Ehefrau gibt.
Eine besondere Rolle, beinahe neben dem bösen Kammerspiel, hat Sofia, die Tochter der Gastgeber. Die Siebzehnjährige (hinreißend in jugendlicher moralischer Verunsicherung: Lina Bonrath) gibt ein bezauberndes Gegengewicht zu der verlogenen und betrogenen  Gesellschaft.
 

Du bist so ein Schwein... - v.l.: Jestel, de Bruyckere-Monti, Gottschalk (hinten: Deer) - Foto © Martin Mazur

Ralf Budde hat das vielschichtige Stück als fatales Spiel mit Möglichkeiten mit all seinen gebrochenen Charakteren, philosophischen wie erotischen Metaebenen und aufgedeckten Lügen mit sicherem Griff aus dem TiC-Ensemble besetzt und ebenso hervorragend in Szene gesetzt. Das Ensemble glänzt und überzeugt in jeder Phase dieser Abrechnung, was für einen anspruchsvollen, bis zur letzten geschickten Wendung pointenreichen Theaterabend von hoher Qualität sorgt.
 
Spieldauer: ca. 2 Stunden mit einer Pause
Weitere Aufführungstermine: 20. Juni, 4., 7., 11., 12. Juli
 
Weitere Informationen: www.tic-theater.de