Vom Besten das Beste

Kabarett bei WortArt - Eine kleine Auswahl zum Jahresende

von Frank Becker
WortArt hat´s

Das Beste der deutschen Kabarett-Szene



WortArt ist
mittlerweile wohl die bekannteste virtuelle Bühne für viele der besten und beliebtesten Kabarettisten und einige herausragende Literaten deutscher Zunge. Wobei wir mit dem Begriff "deutsch" etwas zurückhaltend umgehen wollen, denken wir nur an Severin Groebner, Helmut Schleich, Alfred Dorfer oder Olaf Schubert. Ein üppiges Füllhorn voller Humor und Sprachwitz, aus dessen Angebot wir Ihnen zum Jahresabschluß eine kleine Auswahl vorstellen möchten.

Auf dem Sampler oben z.B. sagen u.a. die WortArt-Stars Dieter Nuhr, Dagmar Schönleber, Andreas
Rebers, Horst Evers, Claus von Wagner, Wilfried Schmickler, Urban Priol, Hagen Rether, Moritz Netenjakob, Matthias Tretter, Florian Schroeder, Olaf Schubert, Bülent Ceylan, Richard Rogler, Guido Cantz und Severin Groebner 58 Minuten und drei Sekunden lang die Wahrheit - oder bersser: Wahrheiten, die manche gar nicht wissen wollen. Zu einem anderen WortArt-Gemeinschaftsprojekt der Hörspiel-Extraklasse lädt Oliver Döring mit seinem Album "Worst of... and Friends" ein, dessen 43 Minuten und 43 Sekunden in einem genialen Rundschlag alles parodieren, was Rundfunk, Kino und Fernsehen so tagtäglich an uns herantragen.  Mit dabei sind neben dem WortArt-Team auch u.a. Hennes Bender, Jess Jochimsen, Dieter Nuhr, Joachim Kerzel, Philipp Schepmann und Franziska Pigulla. Ein völlig schräges Hörvergnügen des Jason Dark/John Sinclair-Machers, besonders für lange Auto-Nachtfahrten geeignet. Das hält wach!
www.wortart.de

Und - wie geht´s Ihnen? Severin Groebner widmet sich einer Zielgruppe, den Hoffnungslosen und Sinnentleerten: Volkskrankheit Depression. Nach "lauter lieben Leuten" nimmt er sich jetzt die Depressiven vor, seine Leidensgenossen also. Und er greift ein Thema auf, das dem Österreicher, zumal dem Wiener schon mit in die Wiege gelegt wird: den Tod. Niemand kann so morbide über das Leben nach dem Leben philosophieren, wie das der Wiener tut. Severin Groebner ist einer wie aus dem Bilderbuch mit vorgedrucktem Trauerrand. Seine Reflexionen hätten einem Helmut Qualtinger zur Ehre gereicht, und in dessen Tradition steht er wohl auch. "So gibt man dem Leben einen Sinn" heißt das aktuelle Programm, das auf einer Doppel-CD präsentiert wird und seine Hörer in die harte Realität von Severin Groebners Welt hineinreißt. Ich muß zugeben, man wird von Furcht und Lachen geschüttelt - was wohl ganz im Sinn des Vorzeige-Wieners liegt. Ein schwarzes Vergnügen für alle, die fest im Leben stehen. Lebensmüden ist vom Genuß abzuraten - zu Folgen und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Friseur oder Ihren Therapeuten.
www.severin-groebner.de

Der zweite Wiener Kabarett-Philosoph auf unserer Liste ist Alfred Dorfer, der gemeinsam mit Josef
Hader und dem Theaterstück/Film "Indien" bereits ein Stück Unsterblichkeit erlangt hat. Sein Album "fremd" zeigt ihn von seiner besten, will sagen bissigsten Seite. Sein "Lebens-GPS" im Dialog mit Günther Paal, begleitet von Günther Paals Band (Peter Herrmann, Lothar Scherpe, Robert Peres) ist ein mit Rock-Musik garnierter Wegweiser der besonderen Art: "Wer einmal im Kreis gegangen ist, sieht den Anfang von hinten". Zecken, die Raumkrümmung, der Luxus des Frauenwahlrechts, BWL-Studenten (Scheißegal, geht ja um nichts - nicht nachdenken, die Wirtschaft braucht Idioten), englisches Essen, bzw. was die dafür halten, minderbemittelte Journalisten,
das Weg-Zeit-Verhältnis bei Bergtouren, Reinhard Fendrich, Sicherheit des Online-Bankings, das deutsch-österreichische Verhältnis auch unter Berücksichtigung der gemeinsamen Sprache, die beide Nationen trennt - die Themenvielfalt entspricht dem täglichen (Über)Leben, die Delikatesse der philosophischen und sprachlichen Behandlung ist ein Genuß.

Ein weiterer brillanter Mundart-Kabarettist tritt mit dem Schongauer Helmut Schleich auf den Plan. Hier haben wir einen Bayern, wie er allenfalls noch in der Figur Gerhard Polts zu finden ist. Massig  und deftig in der Sprache, hinterfotzig in seinen Rückschlüssen und hellwach hinter der schläfrigen Maske ist Schleich. Was er über Helden jeglicher Couleur zu sagen hat und was einen solchen ausmacht, ist ebenso beachtenswert wie seine geniale Wiederbelebung einer bayrischen Legende. Ich glaube, niemand kann oder konnte Franz Josef Strauß großartiger parodieren und kopieren - nicht einmal Strauß selbst. Auch die nachgerade zur Parodie herausfordernde Erscheinung Joseph Ratzingers, der jetzt als "Benedikt XVI. - Bischof von Rom, Stellvertreter Jesu Christi, Nachfolger des heiligen Petrus, Oberhaupt der Weltkirche, Patriarch des Abendlandes, Diener der Diener Gottes" firmiert, geht ihm Lachtränen treibend und entlarvend über die Zunge. Die tatterige Kunstfigur Heinrich von Horchen ist ebenso köstlich wie Helmut Schleichs Betrachtungen über Religionen, Feng Shui, den Jakobsweg und Kriege in die Tiefe gehen. Mein "Geheimtip".
www.helmutschleich.de

Wenden wir uns dem Nordwesten zu, genauer: Nordrhein-Westfalen, das uns so großartige
Kabarettisten wie Dieter Nuhr, Jochen Busse, Erwin Grosche, Hagen Rether, Wilfried Schmickler, Wolfgang Nitschke, Richard Rogler, Konrad Beikircher (`ne Imi) oder Horst Schroth geschenkt hat. Horst Schroth, der sich seit 10 Jahren in seinen Bühnenprogrammen nicht vergebens und stets herrlich unkorrekt mit dem Problem des Zusammenlebens von Männern und Frauen beschäftigt, hat unter dem Titel "Wenn Frauen fragen" ein neues und doch nicht ganz neues Album aufgelegt. Es ist eine Art Essenz aus 10 Jahren unbeantworteter Fragen zum Thema. Hier beantwortet er sie mit dem Hinweis "Die Betriebsanleitung für Männer ist das dünnste Buch der Welt - weil es ausgesprochen leicht ist, einen Mann zu bedienen" - ich sagte ja, herrlich unkorrekt und auf pikante Weise auch oft knapp unter der Gürtellinie. Das ist übrigens ambivalent zu verstehen. Schroth ist ein Phänomen - seine eloquenten Beobachtungen vom Rödeln der Frauen und Schweigen der Männer sind unerreicht. Wer selber noch nicht dahinter gekommen ist, wie Frauen ticken und Männer funktionieren bekommt mit dieser CD einen praktischen Leitfaden an die Hand.
Horst Evers erklärt in seinem neuen Programm "Schwitzen ist, wenn Muskeln weinen" auch die Welt. Aber eben wie Horst Evers, dessen Welt voller Tücken und Gemeinheiten - natürlich nur gegen ihn - steckt und dessen Phlegma und Hadern mit eben all den Tücken von höchstem Unterhaltungswert sind.
Man muß eigentlich Horst Evers mal gehört haben, um beim Lesen das rechte Vergnügen an seinen Texten zu finden. Der lakonische, leicht enttäuschte und stets etwas beleidigte Tonfall macht viel seines trockenen Humors aus. Horst Evers kämpft - das ist sein Schicksal - mit dem Alltag. Alles und jedes hat nichts als den Plan, ihn zu ärgern, ihm das Leben schwer zu machen. Aber Evers wäre nicht er, würde er nicht letztenendes mit noch mehr Chuzpe all dieser Anfeindungen und Widrigkeiten Herr. Das beginnt mit der Vorbestellung auf ein Brot von gestern, streift unangenehme Kindheitserinnerungen (als er mal mit den Kopf in einem Brückengeländer steckengeblieben war), macht mit einem, na ja, schlagfertigen Batterieverkäufer sowie mit intelligenten Haushaltsgeräten bekannt und endet (fast) bei einem (fast) gelungenen Appell an die Selbstverantwortung. Evers wäre aber nicht er (siehe oben), fände er da nicht auch einen bauernschlauen Ausweg.
www.horst-evers.de

Hans Gerzlich betrachtet die Welt mit den Augen des Wirtschaftswissenschaftlers, der er ist. Damit
erklärt er die Ökonomie, es taugt aber auch vortrefflich zur Analyse zwischenmenschlicher Beziehungen und deren Zustandekommen. Wie reagieren Männer auf Reize, wie Frauen? Beispiele findet er reichlich. Homeshopping (die Verfilmung des Otto-Katalogs), Balz- und Werbungskosten, Investitionsgut Kind, Signalling, Synergie-Effekte
, Telefonwarteschleifen, Payback-Karten anstatt Rabattmarken, Dax, Neuer Markt und Autobahnbau, Privatisierung vom Tafelsilber des Staates wie Post, Telekom und Deutsche Bahn - der sympathische Gelsenkirchener beleuchtet manches kritisch  und erklärt vieles verblüffend und einleuchtend. Seine Pizza-Bestellung ist ein Knaller. Sprachnachlässigkeiten und ihre hörbaren Folgen wie "Unkosten" brigen nicht nur ihn zur Weißglut: In was "verwandelt" man Elfmeter, in ein Kaninchen? Auf die Bemerkung des Nachbarn "Ich glaub, meine Reifen sind abgefahren" kann er nur antworten: "Ja dann aber hinterher!"
www.gerzlich.de

Mit Oliver Dörings "Worst-of"-Chaos haben wir diese kleine Jahresendschau begonnen, mit Chaos wollen wir sie auch beenden. Was
Adrian Engels und Markus Riedinger alias Onkel Fisch seit Jahren mit Erfolg im WDR und auf den Bühnen des Landes an Unfug zelebrieren, gibt es jetzt unter dem punktgenauen Titel "Zeitverschwendung auf hohem Niveau" (Volumen 1) in kleinen Häppchen auf einer völlig bekloppten CD. Die sollte man genau deshalb haben - denn wenn sonst nichts mehr gegen den täglichen Wahnsinn der Welt hilft, hilft eben nur noch Wahnsinn der Onkel Fisch-Qualität. Was tut die Feuerwehr, wenn der Wald brennt? Sie bekämpft das Feuer mit einem Gegenfeuer. Und das tun Engels und Riedinger. Lustig.
www.wortart.de   

Auskünfte über Details der hier vorgestellten Alben und über das Gesamtprogramm von WortArt bekommen Sie unter:
www.wortart.de


Und nun wünsche ich Ihnen hoffnungsfroh ein spaßiges neues Jahr!