Tuba and Friends

Hartmut Müller und Kollegen im 1. Kammerkonzert der 161. Wuppertaler Saison

von Johannes Vesper

Hartmut Müller - Foto © Johannes Vesper

Tuba and Friends
 
1. Kammerkonzert der 161. Wuppertaler Saison
 
Von Johannes Vesper
 
Es ging um die Tuba Hartmut Müllers, der nach 35 Jahren als Baßtubist seine letzte Konzertsaison vor sich hat. Sein Wuppertaler Publikum ist gekommen trotz großer Loriot-Retrospektive im Fernsehen. Im Sinfonieorchester thront er in der letzten Reihe über allem, spielt auf dem größten Instrument (Rohrlänge ca. 4 m!), aber tiefer als alle anderen. Heute stand er, nicht ungerührt, zusammen mit Freunden auf der Bühne. Zum Einspielen gab es anfänglich barocke Variationen für Tuba und Klavier von Thomas Stevens. In der darauffolgenden „La flute enchantée“ aus der Shéhérazade (Maurice Ravel) verführte Udo Mertens mit goldener Flöte den Sopran, dessen große, klare Stimme der Intimität einer arabischen Nacht nicht recht entsprach. Mit flinken parallelen Sechzehnteln und synkopalen Rhythmen breitete sich sodann spanisches Temperament aus („Malagueña“ von Isaac Albeniz für Tuba und Harfe). Warum macht der Tubist eigentlich Kammermusik? Weil er mehr musizieren möchte, als ihm in der Orchesterliteratur zugebilligt wird. Hartmut Müller hat gezählt und erzählt: im Wagners „Tristan“ (5 Stunden) mußte er 563 Noten spielen und schon nach 13 Takten reichte es Antonin Dvorak in seinem „Stabat Mater“ mit der Tuba. Da ist die Kammermusik doch viel ergiebiger, wobei die 114 Tuba-Töne des „Schwans“ aus dem Karneval der Tiere wirklich gewöhnungsbedürftig sind. Bei „Une flûte invisible“ drehte Alessia Schumacher, begleitet von Flöte und Klavier, erneut auf und Hartmut Müller kommentierte unter Hinweis auf eigene Erfahrungen: „Bei Musik fallen alle Sorgen ab“. Angesichts der Menschenvernichtung in Israel, Gaza und der Ukraine eher ein frommer Wunsch. Musikalisch barock endete der 1. Teil mit „Music for a while“ des „britischen Orpheus“ Henry Purcell. Diese Arie hat er mit 33 Jahren, drei Jahre vor seinem Tod, komponiert. Der Sopran schwebt bis zum Ende über dem unerbittlich fortschreitenden Ostinato des basso conitinuo zwischen Klavier und Tuba continuo. Natürlich erläuterte Hartmut Müller nicht nur wieviele Töne die Tuba spielt, sondern auch was für welche. Bei Wagner führt das vielseitige Instrument Fasold und Fafner auf der Bühne herum, bei Verdi erschreckt sie die Zuhörer beim Meuchelmord im Gewitter. In der „Liebe zu den drei Orangen“, läßt sie die Fürze der garstigen Köchin erschallen, die jeden Fremdling mit dem Kochlöffel erschlägt. Die Bedeutung Tuba in der Musik kann also kaum überschätzt werden. Dabei gibt es erstaunlicherweise kaum Originalliteratur für sie.
 

Alessia Schumacher, Hartmut Müller - Foto © Karl-Heinz Krauskopf

Nach der Pause frönt Hartmut Müller der brasilianischen Musik, seiner Leidenschaft. Tico-Tico (Zequinha de Abreu), Klagelied der Morgenammer, wurde 1917 komponiert. Diese Choro-Musik war schon im 19. Jahrhundert populär, stammt ursprünglich von den schwarzen Sklaven Brasiliens und gilt als Urahn von Samba und Bossa nova. „Escenas“ von Enrique Crespo ist als Hommage der indigenen brasilianischen Bevölkerung zu verstehen. Beide Bearbeitungen für Tuba und Klavier entbehren nicht der Komik. Maki Hayashida am Klavier begleitete wie immer souverän, exakt und einfühlsam. Der künstlerische Höhepunkt des Abends war Claude Debussy vorbehalten, dessen „Premiere Arabesque“ Manuela Randlinger-Bilz auf der Harfe hochmusikalisch darbot.
 

Hartmut Müller, Manuela Rendlinger-Bilz - Foto © Karl-Heinz Krauskopf

Einen kammermusikalischen Scherz der Sonderklasse boten Hartmut Müller und Udo Mertens mit der Arie der „Königin der Nacht“ für Piccolo und Tuba. Sonderapplaus und Blumen von den Kollegen gab es für Udo Mertens, der als Seele orchestraler Kammermusik dieselbe seit 32 Jahren organisiert, initiiert und gegen alle Widerstände realisiert. Als Satire auf Tuba-Musik konnten Morgensterns Galgenlieder (von Jan Koetsier für Sopran und Tuba) verstanden werden, wenn Knick und Knack als Laute für einen Tag genügen. Höchst amüsant „sang“ Alessia Schumacher pantomimisch Fisches Nachtgesang. Nach der Vereinigung aller Freunde bei der der Pavane von Gabriel Fauré gab es großen und langen Applaus für diesen außergewöhnlichen Konzertabend, der emotional und leidenschaftlich der Baßtuba aus der Familie der Bügelhörner gewidmet worden war, und mit einer Zugabe des gesamten Kammerensembles beschlossen wurde.
 
Montag, den 06.11.2023. Werke von Thomas Stevens (1938-2018),Maurice Ravel (1875-1937), Isaac Albeniz (1860-1909), Camille Saint-Saéns (1835-1921). Henry Purcell (1659-1695), Gabriel Faure (1845-1924), Claude Debussy (1862-1918) Enrique Crespo (* 1941),
Zequinha de Abreu 1880-193) , Jan Koetsier (1922-2006). Besetzung: Hartmut Müller, Tuba und Moderation, Alessia Schumacher,Sopran. Udo Mertens Flöte. Manuela Randlinger-Bilz Harfe, Maki Hayashida,Klavier
 

v.l.; Alessia Schumacher, Maki Hayashida, Hartmut Müller, Manuela Rendlinger-Bilz, Udo Mertens - Foto © Johannes Vesper