Die Lage ist ernst

Die AfD ist wieder auf dem Höhenflug

von Lothar Leuschen​

Foto © Anna Schwartz
Die Lage ist ernst
 
Die AfD ist wieder auf dem Höhenflug
 
Von Lothar Leuschen​
 
Es ist erschreckend. Fast jeder fünfte Wähler in Deutschland kann sich vorstellen, der AfD seine Stimme zu geben. Der neueste Deutschlandtrend der ARD sieht die völkische Partei bei 18 Prozent. Daß die vom Verfassungsschutz beobachtete Gruppierung inzwischen mit der SPD gleichauf liegt, wird da schon fast zur Nebensache. Im Zentrum steht die Erkenntnis, daß Millionen von Deutschen sich ganz offensichtlich eine andere Politik wünschen. Welche das sein soll, ist freilich nicht klar, weil die AfD sich auf Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Nationalismus beschränkt. Damit läßt sich nicht einmal ein Bananenstaat machen. Dennoch sollten all jene dieses Umfrageergebnis ernst nehmen, die es gut meinen mit Deutschland. Wenn sich 18 Prozent der Wählerschaft von den demokratischen Parteien abwenden, dann muß einiges schieflaufen. Und Hinweise darauf gibt es genügend.

Selbstverständlich ist die Aufnahme so vieler Flüchtlinge eine Herausforderung. Sie kostet Anstrengung und Geld, erfordert umso mehr Klarheit und Wahrheit. Beides geht der aktuellen Flüchtlingspolitik ab. Das wissen selbst die Tumbesten unter den vermeintlichen Alternativen für Deutschland zu nutzen. Dabei ist der Mehrheit der Deutschen klar, daß ein so reiches Land Flüchtlingen helfen muß. Ebenso gewiß ist aber auch, daß es nicht allen helfen kann. Das zu erkennen und zu benennen ist nicht unsozial. Es ist logisch.

Aber auch die neue Bundesregierung kann sich zu dieser Klarheit nicht durchringen. Gepaart mit permanentem Streit und geleitet von einem Kanzler, der sich bisher überwiegend als Leisetreter durch die Legislaturperiode laviert, entsteht der Eindruck, daß Deutschland nicht geführt wird. Verstärkt wird dieses ungute Gefühl durch Chaos bei der Bahn, Baustellenchaos auf den Autobahnen, Chaos im Wirtschaftsministerium und durch die Befürchtung, daß die Politik die vielen Krisen nicht löst, sondern auf Pump in Geld ertränkt. Die Erkenntnis bei SPD, Grünen, FDP und Union, daß Politik besser werden muß, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber die Lage ist ernst. Es ist Zeit, daß den Worten Taten folgen.


Der Kommentar erschienen am 3. Juni 2023 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.