Ein optisch schönes, teils witziges, oft sentimentales Märchen

„Arielle, die Meerjungfrau“ von Rob Marshall

von Renate Wagner

Arielle, die Meerjungfrau
The Little Mermaid USA 2023

Regie: Rob Marshall
Mit: Halle Bailey. Jonah Hauer-King. Javier Bardem, Melissa McCarthy, Noma Dumezweni u.a.
 
Sicher, man war damals jünger, viel jünger – es ist schließlich 34 Jahre her, daß Disney 1989 einen seiner erfolgreichsten, weil bezauberndsten Animationsfilme herausbrachte: „Arielle, die Meerjungfrau“. Wer das damals gesehen und verinnerlicht hat, wird sich a priori schwer tun, an eine Realverfilmung dieser Geschichte zu glauben, Auch weil es so sehr „Märchen“ ist, was Hans Christian Andersen 1837 schuf und was der Opernfreund ja auch von „Rusalka“ her kennt: Daß das Geschöpf des Wassers (in diesem Fall des Meeres), wenn es in die Menschenwelt möchte, seine Sprache verliert.
 
Läßt man sich auf die Neuverfilmung ein, die Regisseur Rob Marshall mit wahrlich souveräner Hand lenkt, vergißt man das Original, weil hier einfach eine andere Bildsprache gefunden wurde – das Meer, das so prächtig schäumt und zischt über der Erde und sich in aller Buntheit entfaltet, wenn man in die Tiefe taucht. Der Poseidon-artige Meeresfürst Triton (milde und souverän: Javier Bardem) und seine sieben Töchter, die alle Rassen und Farben (und durchwegs wunderschön natürlich) widerspiegeln. Eine sehr präsente, interessante böse Hexe (Melissa McCarthy, weniger Komikerin, als mit einem Schuß von Dämonie) gibt es auch. Da ist die Menschenwelt mit dem Schiff des Prinzen Erik (Jonah Hauer-King, absolut kein langweiliger Schönling) und einem Hauch von Seeräuber-Romantik, und dem Hofstaat seiner souveränen Mutter (Noma Dumezweni). Da sind, wie bei Disney immer, die komischen Tiere, hier vor allem die Krabbe Sebastian und die Möwe Scuttle, denen für ihre witzigen Dialoge sehr viel Raum gegeben wird. Ja, und gesungen wird auch, es war schon damals ein Musical und ist es mit der klebrig süßen Musik von Alan Menken noch immer, der glücklicherweise auch einmal flotte karibische Rhythmen hinzugefügt werden.
 
Und da ist vor allem Arielle, gespielt von der 23jährigen Halle Bailey, riesige, weit auseinander stehende Augen, ein alles versprechender Mund und jene Hautfarbe von dunklem Honig, die so unwiderstehlich reizvoll ist. Auf die ganzen Diskussionen, die sich daran entzündeten, muß man nicht eingehen – Disney ist immer auf der Welle des Zeitgeists geritten, man war naiv, als die Welt (nicht nur die USA) naiv war, und man weiß, daß der heutige Trend zur Diversität nicht aufzuhalten ist, auch nicht von republikanischen Politikern, also bedient man ihn. Die „Farbenblindheit“, zu der eine Generation von Weißen erzogen werden soll, zeigt sich etwa daran, daß der weiße Prinz eine PoC-Mutter hat, was egal ist, wenn die Dame so viel Würde ausstrahlt wie diese Königin. Und Arielle, eben nicht weiß wie einst, verteidigt überzeugend Frauen-Selbständigkeit, Entschlossenheit, Neugierde, Kampfbereitschaft um ihr Lebensglück.
 
Aus solchen Ingredienzien mixt sich ein optisch schönes, teils witziges, oft sentimentales Märchen, das – wie bei Disney immer – die Familienwerte hoch hält. Gepredigt wird ja bei den Filmen dieses Konzerns immer, das ist man gewohnt, und auf der richtigen Seite stehen sie auch. Wer keinen naiven Rest in seiner Seele hat, sollte es freilich sein lassen. Alle anderen dürfen im Wohlfühl-Meer plantschen.
 
 
Renate Wagner