Alles andere als Sackpfeifen-Musik   Klaviermusik von Jaromír Weinberger   Zu den großen und bekannten Komponisten gehört Jaromír Weinberger (1896-1967) nicht. In Prag geboren und aufgewachsen, „wurde sein musikalisches Talent oft mit Mozart verglichen, weil er als Kind bereits zu komponieren begann und hochvirtuos Klavier spielen konnte“ sagte der Pianist dieser CD Gottlieb Wallisch, der im Zuge seines Projekts „20th Century Foxtrotts“ auf den von den Nazis mundtot gemachten jüdischen Komponisten gestoßen war und jetzt erstmalig Teile seiner Klaviermusik eingespielt hat. Weinberger studierte Musik am Prager Konservatorium, bevor er nach Leipzig zu Max Reger wechselte. Aus dieser Zeit stammen die beiden Klavier-Sonaten op 2 und 3, eine historisierend empfundene Sarabande und Pavane pour Dulcinea de Toboso. Gelegentlich glaubt man Französisches zu hören. So scheint z.B. im Scherzo (Vivo ironicamente) der Sonate Nr. 2 von fern Paul Dukas „“Zauberlehrling“ zu winken. 1922 lehrte Weinberger am Konservatorium von Ithaca (New York), kehrte zurück nach Prag, schrieb Musik fürs Kabarett, für Vaudevilles, komponierte Opern, u.a. Stücke für Violine und Orchester („Der Teufel auf dem Schloßturm“ oder auch für Violoncello und Orchester „Der Rabe“) und wurde mit seiner 2. Oper „Schwanda, der Dudelsackpfeifer“ nach deren Übersetzung ins Deutsche auch international bekannt. Diese tschechische Volksoper wurde kürzlich in Graz und vor einogen Jahren noch in Gelsenkirchen aufgeführt. Auf der CD hat Gottlieb Wallisch drei kurze für Klavier bearbeitete Stücke aus dieser Oper eingespielt (Furiant, Böhmischer Tanz, Polka). In den 20er Jahren wurden seine Werke u.a. von der Universal Edition Wien verlegt. Seine „Frühlingsstürme“, die „letzte Operette der Weimarer Republik“, wurde noch 1933 in Berlin uraufgeführt. 1937 emigrierte er über Österreich, Frankreich, London in die USA, lebte in St. Petersburg (Florida), wo ihm kein großer Erfolg beschieden war. Nach Herzinfarkt, Nervenzusammenbrüchen, Depression und schließlicher Diagnose eines Hirntumors beging er 1967 mit Schlaftabletten Suizid.    Der Pianist Gottlieb Wallisch charakterisiert Weinbergers Klaviermusik: „Es ist eine Musik voller Farben, voller Lust am Klängen, mit teilweise unbändiger Pianistischer Freude und Kraft …. vielschichtig, teilweise komplex polyphon…oft orchestral gedacht und gesetzt.“ Valses nobles (1921/22) stammen erkennbar aus dem musikalischen Expressionismus. Die „Gravures“ wurden in Anlehnung an tschechische Volksmärchen bzw. slawische Mythologie geschrieben. Im Begleitheft zur CD findet sich nicht nur ein Lebenslauf des Komponisten. Alle Klavierstücke werden auch höchst informativ erläutert. Gottlieb Wallisch, stammt aus Wien, startete seine internationale Karriere als Pianist 1996 mit dem 5. Klavierkonzert von Beethoven unter Yehudi Menuhin im Musikvereinssaal seiner Heimatstadt. Als Pianist spielte er mit den großen Orchestern der Welt u.a. in der Carnegie Hall, Wigmore Hall in der Kölner Philharmonie auf den Festivals von Luzern und Salzburg. Inzwischen dirigiert er auch (u.a. Wiener Philharmoniker, Royal Liverpool Philharmonic, Festival Strings Luzern, das Stuttgarter Kammerorchester und andere. 2012 wurde er als Professor an die Haute école de musique de Genêve berufen und 2016 als Professor für Klavier an die Universität der Künste Berlin. Sein Interesse gilt vor allem der sogenannten „verfemten Musik“.  Gottlieb Wallisch - „Jaromír Weinberger – Piano Music“ © 2022 WDR mediagroup GmbH, (CD DDD) executive Producer: Werner Wittersheim. Erschienen 11.11.2022. Aufnahmen 2021 im WDR Funkhaus Köln. Begleitheft (Englisch und Deutsch) mit Texten von Tristan Willems. Stücke: 1 Sarabande (1916?), 2-4 Piano Sonata No 2 in D-Minor op. 4 (1915), 5-7 Piano Sonata No. 3 (1915), 8 Pavane pur Dulcinella de Toboso (1916), 9 Valses Nobles (1921), 10-14 Gravures (Rytiny) Cinqu préludes et Fugues (1923), 15 Mi-la-do (1924), 16-18 Three Pieces from the opera „Schwanda, The Bagpiper“ (1926). Gesamtzeit: 77:03