Am Puls der Bürger

Rezession in Deutschand fordert die Politik

von Lothar Leuschen​

Foto © Anna Schwartz
Am Puls der Bürger
 
Rezession in Deutschand fordert die Politik
 
Von Lothar Leuschen
 
Die Nachricht ist ebenso überraschend wie schlecht. Statt Stagnation, also Null-Wachstum, sagt das Statistische Bundesamt nun einen Rückgang der Wirtschaftsleistung voraus. Dabei ist das Minus von 0,3 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt nur auf den ersten Blick marginal. Abgesehen davon, daß hinter diesem vermeintlich niedrigen Wert eine kolossale Summe an Euro steht, ist es vor allem die Tendenz, die nicht nur im Bundeswirtschaftsministerium Kopfzerbrechen auslösen sollte. Krieg und Krisen, Inflation und damit verbunden Kaufzurückhaltung haben der Wirtschaft zugesetzt. Diese Entwicklung steht in einem krassen Gegensatz zum Verhalten der Politik. Auch deshalb läßt die Erkenntnis der Statistiker aufhorchen.​
 
Deutschland steht unter Druck von außen und von innen. Die internationale Sicherheitslage erfordert immense Anstrengungen. Da trifft es sich sehr schlecht, daß mit schrumpfender Wirtschaftsleistung steigende Arbeitslosenzahlen und sinkende Investitionen verbunden sind. Denn auch diese Entwicklung erfordert politisches Handeln und einen klaren Blick darauf, wofür der Staat Geld ausgibt, welche Prioritäten er setzt.​
 
​Ökonomen verschiedener Banken und Institute rechnen nicht damit, daß Deutschland kurzfristig und dauerhaft gewohnte Wachstumswerte im Korridor von 1,5 bis drei Prozent erreicht. Vielmehr sprechen steigende Zinsen und anhaltend hohe Inflation dafür, daß die Konjunkturdelle eher langsam verschwindet. Umso behutsamer muß die Bundesregierung agieren. Arbeitnehmer und Arbeitgeber brauchen gerade in schwierigeren Zeiten Vertrauen in das Handeln der Politik. Intransparente Schnellschüsse wie das Gebäudeenergiegesetz, diffuse Diskussionen um Unternehmens- und Vermögensbesteuerung, immer neue Regelungsphantasien, die selten konkret und noch seltener verständlich werden, verunsichern alle Beteiligten. Das gilt ebenso für eine Regierungskoalition, die sich anscheinend in allen wichtigen Fragen uneins ist und regelmäßig den Eindruck erweckt, ihre Finger überall zu haben, nur nicht am Puls der Bürgerinnen und Bürger.​
 
 
Der Kommentar erschienen am 26. Mai 2023 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.