Das Kochkäseministerium

von Erwin Grosche

Foto © Frank Becker

Das Kochkäseministerium
 
Am Kochkäse scheiden sich die Geister. Viele finden seine Aufwertung durch Kümmelkörner mißlungen, als wollte man den Teufel mit Beelzebub austreiben. Ich hatte auch mal eine Freundin, die durch Piercings in Zunge und Bauchnabel einen ähnlichen Weg gegangen ist, um versteckte Hinweise auf ihr Innerstes zu geben. Ich mag an Kochkäse so, daß ihm der Anschein von Unberührtheit wichtig ist. Er unterstreicht sein Auftreten, sein Kommen und Gehen durch einen geheimnisvollen Rückzug. Man zerrt doch den Kochkäse aus seinem Plastiktopf, reißt tiefe Krater und Risse in seine Oberfläche, und eh' man sich versieht, zieht sich der Rest wieder zusammen zu einer makellosen Ebene, ganz gelber See, vom Mond beseelt, ein gesichtsloses Smiley in einem runden Plastikplanschbecken. Man denkt doch zuerst, „nun öffnet er sich, nun zeigt er seine Wunden und Narben“, und hätte einen Zugang zu ihm gefunden, da zieht er sich wieder zurück in seine aalglatte Beliebigkeit, bleibt in seiner makellosen Komfortzone und zeigt uns die kalte Schulter. Was soll das? Macht sich da eine neue Behörde breit, das Kochkäseministerium? Wenn etwas, das uns gut schmeckt, zuerst durch einen unangenehmen Geruch auffällt, dann bedeutet das mehr als eine Abschreckung, Das ist eine Mutprobe. Hier wird unser Einsatz gefordert. Ich war doch auch fünf Jahre mit Brunhilde zusammen, obwohl sie Mitglied in der FDP war, aber was konnte sie küssen. Wissen Sie, ich mag an Kochkäse, daß er sich nicht entstellen läßt, er achtet auf sich, er gibt nicht auf, er besteht auf seiner Vollkommenheit. Schade ist nur, daß die Erde diesem Beispiel des Kochkäses nicht folgen kann. Die Erde bleibt bei einem Eingriff aufgerissen und zieht sich nicht wieder zusammen zu einer makellosen Oberfläche wie der Kochkäse, und Hambach bleibt Hambach.
 

Foto © Frank Becker

PS.: »Die kleine Therese, die schickt mir gern Käse, egal was es kost', sie schickt's mit der Post.«
Ich sag Ihnen was: »200 Jahre deutscher Kochkäse«, das wäre ein schönes Briefmarkenmotiv. Eine gelbe, sich dehnende Briefmarke, die beim Stempeln Kümmelkörner hochspringen läßt, das wär's.