Ein bitterer Film

„Die Gewerkschafterin“ von Jean-Paul Salomé

von Renate Wagner

Die Gewerkschafterin
La Syndicaliste - Frankreich 2022

Regie: Jean-Paul Salomé
Mit: Isabelle Huppert, Gregory Gadebois, Yvan Attal, u.a.
 
Es beginnt mit der Katastrophe, um die sich alles dreht (danach wird die Vorgeschichte im Rückblick klar): Eine Frau wird in ihrem Badezimmer von einem Maskierten überfallen, auf einen Sessel gefesselt und grauenvoll gedemütigt und gequält. Dergleichen passiert nicht nur im Kriminalfilm, sondern auch in der Wirklichkeit. „Die Gewerkschafterin“ erzählt die wahre Geschichte der gebürtigen Irin Maureen Kearney, die in Frankreich als Gewerkschaftsvertreterin des Atomkraftkonzerns Areva tätig war. Dabei versuchte sie, die Interessen vieler tausender Arbeiterinnen und Arbeiter zu wahren, womit sie den Mächtigen bei ihren schmutzigen Geschäften viel Ärger bereitete – und es teuer bezahlen mußte.
Es ist eigentlich eine schreckliche Geschichte, die Regisseur Jean-Paul Salomé hier (nicht ganz so begabt, wie er sollte) ausbreitet. Eine entschlossene, wenn auch von Isabelle Huppert keineswegs sympathisch gezeichnete Frau stellt sich gegen die Mächtigen (gegen die man bekanntlich nicht gewinnen kann), wobei sie keinerlei Idealismus erkennen läßt. Sie bekämpft die so eindeutig „Bösen“ wie den Areva-Chef Luc Oursel (Yvan Attal) quasi auf einer Ebene der selbstbewußten Kaltschnäuzigkeit.
 
Allerdings ist das Recht, das erfährt man als Kinobesucher schnell, zweifellos auf ihrer Seite – wenn die Franzosen wirklich den für die Manager lukrativen Deal mit China abschließen, wird nicht nur französische Technologie verkauft, sondern auch jeder einzelne Arbeitsplatz im Land. Grund genug für eine Gewerkschafterin, den Kampf aufzunehmen, Grund genug für die Gegenseite, ihn mit aller Rücksichtslosigkeit zu führen.
Man hat, wie es in unserer Welt üblich geworden ist, alles getan, um Maureen Kearney unter Druck zu setzen und zu diskreditieren. Nicht nur, daß es rund um ihr (zugegeben schönes, von Reichtum zeigendes) Haus in Versailles immer wieder bedrohliche Vorfälle gab, man schaffte es, daß die Polizei unterstellte, Maureen Kearney hätte den Überfall erfunden und selbst inszeniert – ungläubige Verächtlichkeit kommt von dem Polizeikommissar (Pierre Deladonchamps), der ihren Fall behandelt, und auch der Gatte (Grégory Gadebois), an sich für sie ein Fels in der Brandung scheint manchmal leise Zweifel zu hegen.
Die Handlung bewegt sich von der Gewerkschafterin weg (natürlich kam der Deal mit den Chinesen zustande) hin zu der Frau, die als Kohlhaas um ihr Recht und ihre Reputation kämpfte, selbst wenn sie bei dem ersten Gerichtstermin scheiterte (wo man sie a priori wie eine Lügnerin hinstellte), ihren Job verlor, sich als Lehrerin in die Provinz zurückzog. Bis eine mit ihr sympathisierende Polizistin auf einen ähnlichen Überfall stieß und es gelang, den Fall wieder aufzurollen. Es war ein bitterer Sieg.
 
Und es ist ein bitterer Film, der sein emotionales Thema eher trocken und vor allem unendlich repetitiv anbietet, so daß man als Kinobesucher mit seinem Interesse schwer bei der Stange bleibt und sich nur fragt, wann die Sache endlich ein Ende hat. Die Hexenjagd auf eine Frau, die als Beispiel für die Gnadenlosigkeit unserer Gesellschaft stehen kann, wird angeboten, berührt aber seltsam wenig. Möglicherweise wurde aus der Sorge heraus, das Thema zu verkitschen, solch dröge Berichterstattung daraus.
 
 
Renate Wagner