Ein gebrochener Film

„Sparta“ von Ulrich Seidl

von Renate Wagner

Sparta
Österreich 2022

Drehbuch und Regie: Ulrich Seidl
Mit: Georg Friedrich u.a.
 
Ulrich Seidl ist großes Tamtam um jeden seiner Filme gewöhnt. Allerdings kann der „böse Bube“ des österreichischen Kinos, dessen Werke so manchem „Normalo“ den Magen umdrehen, in der Regel mit dem vollen Lob der Kritiker rechnen.
Bei „Sparta“ war das anders. Wer die Kampagne gegen ihn angezettelt hat, die (noch vor dem Fall Teichtmeister) mit dem Stichwort „Kinderporno“ einen neuralgischen Punkt unserer Gesellschaft getroffen hat, wurde nie geklärt. Am Ende sind die Beschuldigungen, man habe sich am Drehort von „Sparta“ in Rumänien unangemessen zu einheimischen Kinderdarstellern und deren angeblich uninformierten Eltern verhalten, im Sand verlaufen. Geblieben ist der schlechte Nachgeschmack.
Und das seltsame Phänomen, daß einem „Sparta“, wenn man den hoch geschaukelten Film nun sieht, seltsam „harmlos“ vorkommt. Obwohl er auf stille Art so schrecklich ist, wie Seidl eben ist – und nicht anders kann.
 
Unermüdliche Fans haben „Sparta“ in Zusammenschnitt mit „Rimini“ gesehen, weil zwei Brüder jeweils im Zentrum eines der Filme stehen, der sterbende, Ex-Nazi-Vater der beiden sie verbindet. War „Rimini“ mit Michael Thomas als abgehalftertem Schlagerstar „Richie Bravo“, der sich seine Liebesdienste an alten Frauen mit barer Münze vergelten läßt, nicht nur ein extrem widerlicher und frauenverachtender, sondern auch unerträglich lauter Film, so ist „Sparta“ leise. Er spekuliert, bei manchem möglicherweise erfolgreich, damit, daß seine Zentralfigur, der im Ostblock tätige Geschäftsmann Ewald eigentlich ein armer, von seinen Trieben gequälter Kerl ist. Der in Rumänien bei seiner Freundin sexuell versagt, aber offenbar glücklich ist, wenn er, „Onkel“ spielend, mit ihren beiden kleinen Brüdern im Bett liegt…
Ein bedauernswerter Pädophiler? Immerhin reich genug, um von der Freundin abzupaschen und sich in irgendeinem Dorf eine alte, verrottete Schule zu kaufen, unter dem Vorwand, daß er den Jungen der Gegend gratis Judounterricht geben möchte. Nein, er rührt keinen von den Buben an. Er fotografiert sie nur mit nacktem Oberkörper und sieht sich nachts die Bilder auf dem Computer an. Wenn man weiß, wie weit Seidl in Sexszenen zu gehen bereit ist, fragt man sich, ob das eine „vorsichtige“ letzte Schnittfassung von „Sparta“ ist. Nicht, daß man Ewald gerne beim Onanieren oder anderem zugesehen hätte, aber letztlich würde die Geschichte darauf hinaus laufen…
 
Die Buben fühlen sich in der „Judo-Schule“ sehr wohl (in die Ewald viel Geld und seine ganze Zeit investiert, ohne daß klar würde, wie er das eigentlich finanziert), aber die Väter wittern zurecht Schmutziges. Dramaturgisch gänzlich wirr wird es, wenn sie die Schule stürmen, Ewald davon läuft und sich faktisch halbnackt ins Auto setzt, später aber wieder völlig bekleidet erscheint – und noch später, man weiß nicht wie, in einem nächsten Ort Reklamezettel anklebt. Offenbar für die nächste Judo-Schule. Wie das alles gehen soll… aber „Sparta“ ist in jeder Hinsicht eine wirre Geschichte geworden, die nichts wirklich erzählt.
Natürlich ist da Hauptdarsteller Georg Friedrich, der so gut die Unsympathler spielt, hier aber erfolgreich auf die „arme Haut“ setzt. Einer, der nicht tun darf, was er möchte, sich harmlosen Ersatz als Voyeur der Bubenkörper verschafft und in aller Stille nie wirklich sagt, was in ihm vorgeht. Ja – und?
 
Ulrich Seidl soll nach den Attacken auf ihn, die ein paar Wochen heftig wogten, um dann – wie es so üblich ist, siehe die Fälle Heller und Teichtmeister – völlig zu verschwinden, als wären sie nie gewesen, ziemlich „gebrochen“ gewesen sein. „Sparta“ ist auch ein gebrochener Film.
Ob Seidl sich wieder erholt? Ehrlich gesagt bringt man ihm als Person so wenig Anteilnahme entgegen wie seinem Ewald. Obwohl von der rein „handgreiflichen“ Seite in „Sparta“ gar nichts Unziemliches passiert. Das muß man angesichts der Hetzkampagnen konzedieren. Ohne den Regisseur dafür gleich einen Duckmäuser zu nennen.
 
 
Renate Wagner