Werner Biedermann wird 70

Eine Laudatio

von Joachim Klinger

© Joachim Klinger
Werner Biedermann wird 70
 
Heute, am 9. Mai 2023 wird Werner Biedermann 70 Jahre alt. Unglaublich, wenn man sich das spitzbübische Lächeln in seinem leicht geröteten Gesicht vorstellt! Wer ist dieser Werner Bierdermann, der 1984 den Förderpreis für junge Künstler (Kategorie Regie im Filmbereich) des Landes NRW erhielt?
Sein Werk umfaßt 63 Kurzfilme, 4 abendfüllende Filme, zahlreiche Filmkritiken in Tageszeitungen, Aufsätze in Filmfachzeitschriften und filmkundliche Bücher. Da stockt einem der Atem!
In erster Linie ist Werner Biedermann Filmkünstler. Die Filmproduktion ist seine Leidenschaft. Werner Biedermann hat Humor, er hat eine lächelnde Weltsicht in klarer Erkenntnis des Bösen, der Konflikte, Kriege und Katastrophen.
 
       Der gebürtige Essener ist dem Ruhrgebiet eng verbunden. Es gibt regionale Bezüge in einigen Arbeiten, aber im ganzen weist sein Werk weit über Heimat und Lebensraum hinaus.
In den Anfangsjahren seiner Tätigkeit im Filmbereich ist die humoristische Einstellung auffallend. Ein Beispiel ist der Film „Eggtime“, eine 13-minütige Filmkomödie, immerhin von der strengen Filmbewertungsstelle der Bundesländer in Wiesbaden mit dem Prädikat „Wertvoll“ ausgezeichnet.
Humoristische Elemente kennzeichnen auch andere Kurzfilme wie z.B. „Der Hut im Licht neuester Forschung“ (1983, 10 Minuten). Dazu passen ins Bild Scherze des jungen Werner Biedermann, der Krankenhäuser und Behörden mit der Vermutung ins Schwitzen brachte, er könne in einer Wöchnerin-Station vertauscht worden sein. Oder der Protest dagegen einlegte, daß der Name Biedermann in einem Bühnenstück von Dürrenmatt benutzt / mißbraucht wurde. Da darf man wohl sagen: er hat den Schalk im Nacken.
       In den Filmen von Werner Biedermann wird ein Hang zum Bizarren und Hintergründigen erkennbar, aber mehr noch die Absicht, Menschen mit höchst seltsamen Normalitäten zu konfrontieren, Abbildungen von Realitäten mit Traumbildern und Phantomen der Phantasie zu mischen und dadurch Denkanstöße und Sinnfragen auszulösen.
Man sehe sich hierzu beispielsweise den Kurzspielfilm „Das deutsche Wohnzimmer“ (1985, 10 Minuten) oder den Kurzfilm „Die Poesie ist das Ritual“ (1988, 10 Minuten) an. Manchmal spürt man das ausgeklügelte Experimentieren und freut sich an spielerischen Elementen, die auch abgründige Erscheinungen einbeziehen.
Daß Werner Biedermann auch ganz anders kann, indem er sich auf die Rolle des streng sachlichen Beobachters mit einfühlsamem Blick beschränkt, zeigen seine Filme „Folkwang 85“, „Des Lebens ganze Fülle“ und „Laula“.
Wichtig ist Werner Biedermann immer wieder die Erforschung der Frage, was wir sehen, sehen können oder sehen könnten. Welche Bilderwelten präsentieren sich und welche entziehen sich? Die optische Täuschung, weitgehend die Sinnestäuschung, die Traumgestalt, das Gebilde der Phantasie – dies alles wird überraschend nahe gebracht und hinterfragt. Schon die Titel einiger Filme lassen dieses künstlerische Bemühen Biedermanns erkennen:
„Die Illusion von Wirklichkeit“ (2013, 5 Minuten), „Metrik des Zufalls“ (2012, 4 Minuten), „Die Charles Bonnet-Variante“ (2009, 5 Minuten) und „Stendhal Syndrom“ (2007, 4 Minuten).
In seinen Schriften widmet sich Werner Biedermann gern Themen, die Filmwissenschaftler einfach liegen lassen, so z.B. „Essen und Trinken in neuen Filmen“ oder „Kino- und Filmmotive auf Briefmarken“ (in „Frappierende Filme“, erschienen 2017). Gern hat er auch für den Düsseldorfer Grupello-Verlag ein Film-Quiz gestaltet.
 
       Von Biedermanns Büchern schätze ich besonders die beiden Filmzitaten-Sammlungen. Werner Biedermann hat sie mit nachdenklichem Blick augenzwinkernd herausgesucht und thematisch bestimmten Lebensbereichen zugeordnet. Mit leiser Ironie schreibt Werner Biedermann in seinem Vorwort zu „Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen“ (2005):
„Ausgewählt wurden vornehmlich Zitate, die pointiert Einsichten über unsere menschliche Existenz aussprechen und dabei sinnstiftende Antworten auf das Zusammenleben geben.“
Die andere Zitatensammlung „Mit Gefühlen ist das so eine Sache“ (2016) breitet ebenfalls Fragen, Antworten, Erkenntnisse und Lebensweisheiten in großer Fülle aus. Für gehetzte Politiker sei hier ein Zitat wiedergegeben:
„Es gibt kein richtig, es gibt kein falsch. Es gibt bloß die öffentliche Meinung.“
Der Filmzitaten-Schatz entläßt uns schmunzelnd und nachdenklich zugleich. Ganz im Sinne von Werner Biedermann, dem hiermit herzlich gratuliert sei.
 
P.S.
Das Düsseldorfer Filmmuseum ehrt den Künstler am 4. Juni 2023 (Sonntag) in einer Matinée mit der Präsentation einiger Filme aus seinem Werk.