Betriebsstörungen

Lindner kritisiert Ausbau des Kanzleramtes

von Lothar Leuschen​

Foto © Anna Schwartz
Betriebsstörungen
 
Lindner kritisiert Ausbau des Kanzleramtes
 
Von Lothar Leuschen
 
Christian Lindner entwickelt sich mehr und mehr zur Abteilung „Attacke“ der Bundesregierung. Vergleichbar mit der Rolle, die einst Uli Hoeneß beim FC Bayern München spielte, haut der FDP-Chef in kürzer werdenden Abständen einfach mal dazwischen. So war es, als die Kabinettskollegen vom Finanzminister zusätzlich Zig-Milliarden forderten, und so ist es nun wieder. Diesmal schlug Lindner in einer TV-Talkshow einen Pflock ein. Und der Adressat seiner Botschaft war kein Geringerer als der Bundeskanzler selbst. Nun ist es in Zeiten wie diesen durchaus fragwürdig, ob der Ausbau des Bundeskanzleramtes zum laut Kritikern größten Amtssitz der Welt nicht doch ein wenig aus dem Rahmen fällt. Zwar sind die rund 780 Millionen Euro Kosten gemessen an Milliardenpaketen für Bundeswehr, Energiehilfen und Bürgergeld eine überschaubare Summe. Aber Pomp paßt im Moment nicht. Es mag in der Vergangenheit gute Gründe gegeben haben, das Kanzleramt zu vergrößern, und es ist grundsätzlich richtig, einer Behörde mit Tausenden von Mitarbeitern einen Kindergarten einzurichten. Doch mit Lindners Hinweis auf zunehmend mobiles Arbeiten und sinkenden Büroflächenbedarf ließe sich der schon begonnene Ausbau womöglich auch kleiner und kostengünstiger planen. Das ist das eine.​
 
Das andere ist, daß die amtierende Bundesregierung in schwierigsten Zeiten immer noch nicht den Eindruck erweckt, an derselben Seite des Strangs zu ziehen. Die Eindrücke mögen hoffentlich täuschen, aber die Nachrichten aus aller Welt lassen den beängstigenden Schluß zu, daß der Kalte Krieg über die Ukraine hinaus sehr heiß werden könnte. Diese Gefahr erfordert von einem wichtigen und gewichtigen Land wie Deutschland eine funktionierende Regierung, die jederzeit das Gefühl vermittelt, daß sie den Anforderungen gewachsen ist. Dieses Gefühl entsteht nicht, wenn innerhalb der Koalition, von Teilen der Opposition und von allen Profilbildung betrieben wird. Daraus ergibt sich die Frage, wie viele Neustarts die Bundesregierung nach dem Neustart in Meseberg noch benötigt, um den Betrieb aufnehmen zu können.​
 

 
Der Kommentar erschienen am 17. März 2023 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.