35 Regalmeter Leben und Werk

Der Nachlaß des Dramatikers Karl Otto Mühl an der Bergischen Universität

von Uwe Blass

Karl Otto Mühl - Foto © Frank Becker

35 Regalmeter Leben und Werk
 
Der Nachlaß des Dramatikers Karl Otto Mühl an der Bergischen Universität
 
Ein Interview mit Uni-Bibliotheksdirektor Uwe Stadler
 
Herr Stadler, heute, am 16. Februar wäre der Wuppertaler Dramatiker Karl Otto Mühl 100 Jahre alt geworden. Sie haben ihn persönlich kennengelernt. Wie würden Sie ihn beschreiben?
 
Stadler: Ich habe Herrn Mühl tatsächlich ein paar Mal getroffen, vor allem anläßlich der Unterzeichnung des Depositalvertrages (Ein Depositum ist ein in einem Archiv hinterlegtes Archivgut, Anm. d. Red.), den Herr Mühl mit der Bergischen Universität geschlossen hat. Es geht also um die Hinterlegung des Nachlasses - Karl Otto Mühl ist ja bereits ein Jahr nach der Unterzeichnung dieses Vertrages 2020 gestorben - der 2019 in Anwesenheit von Dr. Dagmar Mühl-Friebel, seiner Frau und Herrn Prof. Dr. Michael Scheffel, des damaligen Prorektors, vereinbart wurde. Er war ein sehr starker, angenehmer Mensch mit einer persönlichen Verschmitztheit, sehr verbindlich im Gespräch, aber auch zurückhaltend.

Mühl schrieb Theaterstücke Romane, Gedichte und Hörspiele. Seinen Nachlaß überließ er 2019 der Bergischen Universität. Wie umfangreich ist er?
 
Stadler: Der ganze Vor- und Nachlaß, der uns in diesem Vertrag übergeben wurde beträgt z.B. 18 Meter Archivkarton mit Entwürfen und Manuskripten seiner Stücke und Romane, also ein sehr umfänglicher Nachlaß, den wir natürlich auch zu gegebener Zeit, zusammen mit den hiesigen Fachleuten aus der entsprechenden Fakultät, bearbeiten werden. Zudem gibt es eine Korrespondenz mit Freunden, das dürften etwa zwei Regalmeter sein, also sortierte Kartons, die sehr persönlich sind. Mit diesen persönlichen Archivalien muß man dementsprechend umsichtig umgehen, denn da gibt es Persönlichkeits- und Urheberrechte zu beachten. Dazu kommen noch ca. 10 Meter Monografien, die aus Mühls eigener Privatbibliothek stammen, die er gelesen hat und aus denen er auch Material für seine eigenen Entwürfe gefunden hat. Dann gibt es noch 7 Kästen mit Fotos. Also eine schöne und umfangreiche Sammlung in Summe, die zusammen bestimmt 30 bis 35 Regalmeter in der Bibliothek ausmacht.

Mühl geriet im Zweiten Weltkrieg in Kriegsgefangenschaft und schrieb damals seine ersten Theaterstücke. 1944 machte er in den USA die Bekanntschaft des ebenfalls kriegsgefangenen Schriftstellers Tankred Dorst, mit dem er ab 1947 Mitglied in der Wuppertaler Künstlergruppe „Der Turm“ war. D.h. so ein Nachlaß ist sowohl für Literaturwissenschaftler als auch für Historiker interessant, oder?
 
Stadler: Das sehe ich genauso. Tatsächlich denke ich aber, in Bezug auf die Vorgeschichte zur Übergabe des Nachlasses, daß es in erster Linie darum gehen wird, daß sich die entsprechenden Fachleute aus den Philologien damit beschäftigen werden. Die ersten Kontakte zu Herrn Mühl wurden durch Prof. Dr. Andreas Meier hergestellt, der ihn schon länger kannte. Herr Scheffel als Fachmann für Editionswissenschaften, zusammen mit vielen anderen Professoren an der hiesigen Universität, ist sicherlich auch ein ganz wichtiger erster Ansprechpartner. Wir werden zunächst aus literaturwissenschaftlicher Sicht zusammen mit der Fakultät das Thema angehen. Inwieweit es dann auch historische Relevanz hat, werden zukünftige Gespräche klären.


Seinen Durchbruch hatte Mühl erst spät. 1974 veröffentlichte er das Drama „Rheinpromenade“, welches bundesweit inszeniert wurde. Wer wird denn eigentlich Zugang zu seinem Archiv haben?
 
Stadler: Das haben wir tatsächlich auch als Teil des Vertrages definiert. Da heißt es: ´Der Vertragszweck dieses Depositums sieht u.a. vor, daß wir die Unterlagen als Bibliotheks- bzw. Archivgut übernehmen und sie der öffentlichen Nutzung zugänglich machen werden. ´ Das ist ein wichtiger Punkt, denn ich weiß, sowohl von Herrn Mühl selber, als auch von seiner Frau, daß es ein wichtiges Anliegen ist und war, die Unterlagen entsprechend auch der Allgemeinheit, insbesondere natürlich für Forschungszwecke, zur Verfügung zu stellen. Ein wichtiger Bestandteil des Vertrages ist darüber hinaus die freigegebene Erschließung der Unterlagen in Form von Digitalisierung und Verfilmung, d.h., wir können aus diesen Unterlagen Digitalisate erstellen, um dann, soweit es die rechtlichen Möglichkeiten zulassen, das Maximum der Zugänglichkeit anzubieten.

Wie oft kommt es vor, daß eine Universität einen Nachlaß erhält und wie bereitet die Bibliothek so etwas für Nutzer auf?
 
Stadler: Das ist standortspezifisch sehr unterschiedlich. Es gibt Universitäten und Bibliotheken, die spezialisierter auf Nachlässe sind wie z.B. das Deutsche Literaturarchiv in Marbach (DLA), welches eine Standardstelle für den Nachweis u.a. deutschsprachiger Schriftsteller ist. Dort sind auch schon einzelne Stücke von Karl Otto Mühl hinterlegt. Bei uns in Wuppertal kommt es nicht ganz so häufig vor. Wir hatten durch Ankauf von der Deutschen Forschungsgemeinschaft den Nachlaß des irischen Schriftstellers Walter Mäcken erhalten, den wir bei uns im Magazin verwahren und für die Forschung zur Verfügung stellen. Die Digitalisierung steht da noch aus. Ansonsten haben wir schon einige Gespräche mit anderen Autoren geführt, die sich sehr interessiert gezeigt haben und vielleicht mit der Unibibliothek kooperieren.

Mühl engagierte sich schriftstellerisch auch sozial. Er brachte am Bergischen Kolleg Jugendlichen in einer Schreibwerkstatt das Schreiben bei und organisierte mit anderen Beteiligten Lesungen in Wuppertaler Altenheimen. 2020 starb er. Wie erinnern wir uns an ihn?
 
Stadler: An eine sehr offene, an gesellschaftlichen und sozialen Dingen interessierte Persönlichkeit. Interessant ist tatsächlich, daß er als Wuppertaler Schriftsteller auch seinen Wuppertaler Verlagen immer stets verbunden geblieben ist. Früher hat er im Hammer Verlag, in den letzten Jahren auch im Nordpark Verlag, der von unserem früheren Bibliotheksmitarbeiter Alfred Miersch betrieben wird, veröffentlicht. Er hatte eine lokale aber auch regionale Ausstrahlung und wird sicherlich in sehr guter Erinnerung bleiben.
 
Uwe Blass
 
Uwe Stadler leitet seit 2006 die Wuppertaler Unibibliothek. 1961 in Fürth geboren, studierte er Sozialwissenschaften mit politikwissenschaftlichem Schwerpunkt in Duisburg, war nach Diplom und Bibliotheksreferendariat in Bielefeld und Köln als Bibliotheksrat an der Technischen Informationsbibliothek in Hannover tätig und kam 1994 als Fachreferent für die erziehungs- und gesellschaftswissenschaftlichen Fächer nach Wuppertal. Wenig später wurde er Leiter des Dezernats für Digitale Bibliothek und Neue Medien. 2004 wurde Stadler stellvertretender Direktor der Universitätsbibliothek.