Martin McDonagh macht Filme wie kein anderer

„The banshees of inisherin“ von Martin McDonagh

von Renate Wagner

The banshees of Inisherin
Irland, GB, USA 2022 

Drehbuch, Produktion und Regie: Martin McDonagh
Mit: Colin Farrell, Brendan Gleeson u.a.
 
Wie würde man sich, fühlen wenn man Tag für Tag die Freizeit mit seinem vermeintlich besten Freund verbringt, und eines Tages sagt einem dieser plötzlich ohne Vorwarnung ins Gesicht: Ich mag Dich nicht mehr. Kündigt Freundschaft und Gemeinsamkeit auf.
Das muß Padraic Súilleabhá erst einmal verkraften, als es ihm passiert. Und weil die in den zwanziger Jahren angesiedelte Geschichte (deren Bürgerkriegsbezug sich nicht wirklich erschließt) im ländlichen Irland handelt, auf der Insel Inisherin an der Westküste, wo die Gesellschaft noch enger und geschlossener ist, nehmen die Ereignisse schreckliche Wendungen – denn Martin McDonagh hat sie erdacht.
Diesen kennt man als wahrlich blutrünstigen Dramatiker und als Filmemacher mit einem brillanten Händchen, der auch die abstrusesten Vorlagen plastisch machen kann. Und der uns erzählt, wie ganz, ganz anders die Iren nun einmal sind.
 
Colm Doherty, der seinen Freund Padraic so unzart-brutal vor eine menschlich so verletzende vollendete Tatsache stellt, ist nämlich in Herzen Folk-Musiker und kein einfach gestrickter Mann. Er will den Rest seines Lebens nicht mit dämlichen Gesprächen im Pub vergeuden, sondern vielleicht noch etwas leisten im Leben … musikalisch, für die Nachwelt, weil Musik weniger vergänglich ist als Menschen, wie er richtigerweise meint. Den titelgebenden Banshees (Geister oder Feen, an die die Menschen dort glauben), widmet er ein Lied.
Man versteht ihn, so wie Brendan Gleeson ihn mürrisch und wortkarg spielt, aber man versteht auch das Leid, das sich auf dem herrlich fassungslosen Gesicht von Colin Farrell abzeichnet, weil er als schlichtes Gemüt natürlich nicht begreifen kann, was da geschieht. Und es beharrlich auch nicht hinnehmen mag, während seine Miene im Lauf der Handlung großartig versteinert.
 
Man fragt sich, wie andere Völker mit der Situation umgehen würden. Drohungen, wenn man nicht in Ruhe gelassen wird, ja. Aber daß man erklärt, man würde einen Finger abhacken – und zwar nicht dem anderen, sondern sich selbst (womit sich der Musiker amputieren und das Geigenspiel unmöglich machen würde), das ist so irisch, daß nüchtern-vernunftbegabte Mitteleuropäer einfach nur fassungslos sein können. Wie diese Situation eskaliert (und ja, es werden Finger abgehackt) – das sind eindreiviertel  Kinostunden, die sich in ihrer eigenen Welt bewegen. Preise bei Festivals, „Golden Globe“-Nominierungen hat es schon geregnet, mit dem „Oscar“ wird es nicht anders sein.
Und das, obwohl man bis zuletzt diese verrückten Iren einfach nicht wirklich verstehen kann – aber sich dennoch fasziniert zwischen ihnen bewegt. Weil natürlich außer Padraic Súilleabháin und Colm Doherty, den beiden Sturköpfen, auch noch die ganze Inselbevölkerung irgendwie einbezogen wird und beteiligt ist und schließlich in unvermeidlicher Eskalation Häuser abgefackelt werden und Menschen sterben (und ein Esel, der irrtümlich einen Finger gegessen hat, auch) – aber man am Ende, wenn der Wahnsinn ausgestanden ist, doch noch immer wortkarg mit einander redet (wenn auch wohl nicht mehr ins Pub geht).
 
Ganz wenige Autoren / Regisseure könnten und konnten wagen, dem Publikum mit einer menschlich so abstrusen Geschichte über den Nationalcharakter eines eigensinnigen Volkes zu kommen. Absurd und stellenweise so archaisch wie ein überhöhter Mythos, ist die Geschichte – auch dank ihrer Hauptdarsteller – doch immer menschlich berührend, und daß man nicht umhinkommt, immer wieder zu lachen, gehört zu den Spezialitäten dieses Martin McDonagh, der Filme macht wie kein anderer.
 
 
 
Renate Wagner