Selenskyj schaut in die Zukunft

Wolodymyr Selenskyj – „Botschaft der Ukraine“

von Johannes Vesper

Wolodymyr Selenskyj schaut
zurück und in die Zukunft
 
Seine Botschaft aus der Ukraine
 
Von Johannes Vesper
 
Die Ukraine, erst seit dem Unabhängigkeitsreferendum 1991 ein selbständiger Staat, stand seit 1654 unter russischer Oberherrschaft. Was heute - also nach Kriegsbeginn, die Ukraine ausmacht, definierte der ukrainische Präsident Selenskyj in seinen mehr als 80 Reden, in denen er durch den kleinen Ausschnitt der ukrainischen Geschichte seit seiner Wahl zum Präsidenten am 10.05.2019 führt und über die Zukunft seines Landes nach dem 24. Februar 2022 nachdenkt.  Das Buch erschien zunähst auf Englisch und wurde für den deutschen Leser übersetzt (Christiane Bernhardt und Gisela Fichtl). Sechzehn Reden wurden ausgewählt und richten sich an Ukrainer. Europäer, an die Welt (darunter UNO, Parlamente von Großbritannien, der USA, Israels). 
 
Er macht damit Mut und mahnt die Welt mit folgenden Kernüberlegungen: Nazi-Deutschland hat vorgemacht, wie Nationen, Staaten und Völkern von verbrecherischen Nachbarn der Garaus gemacht werden kann. Beschwichtigungspolitik hat nicht geholfen und hilft nicht gegen tötendes, folterndes, vergewaltigendes russisches Militär, dessen Führer wie Hitler vom Volk „gewählt“ worden ist. Daß die Russen mit Ausnahme weniger Jahre unter Gorbatschow von Iwan dem Schrecklichen, über Stalin bis hin zum heutigen Kriegsherrn von Gewalttätern regiert wurde, steht nicht im Buch. Er hofft, daß in Europa die  brutalen Aggressionen Nazideutschlands von Oradur und Auschwitz bis Coventry und Rotterdam nicht vergessen werden, verweist darauf, daß ukrainische Städte jetzt zum zweiten Mal bombardiert und nach 80 Jahren in Schutt und Asche gelegt werden und bedankt sich für jede Hilfe,  vor allem dafür, daß ukrainische Flüchtlinge in Europa herzlich aufgenommen wurden und werden, bedankt sich für Waffen, aber auch für 5000 Helme. Und er bedankt sich auch dafür, daß auch deutsche Unternehmen Moral und Menschlichkeit über die Bilanzen, über die Wirtschaft stellen.  Uns Deutsche erinnert er daran, daß wir mit Nordsterns I und II russische Waffen gebaut haben, mit denen Putin uns jetzt angreift und Zwietracht in die EU trägt. Der breite Boykott gegenüber Russland und die russische Einschränkung der Energielieferungen machen deutlich, daß Russland sich nicht nur mit der Ukraine im Krieg befindet.  
 
Die Kriegsziele Russlands werden beschrieben: „Zerstörung des Staates, der Städte und Dörfer und die Zerstörung der ukrainischen Kultur vorsätzlich und vor den Augen der gesamten Welt“ und hört in seinem Amtssitz sehr wohl, wenn Russland unter dem Vorwand der eigenen Sicherheit von der „Endlösung der Ukrainefrage“ spricht. Die Architektur des Amtssitzes von Präsident Selenskyj befindet sich im ehemaligen, 1936 von Stalin erbauten Hauptquartier des Kiewer Militärbezirks. Dort befand sich unter der deutschen Besetzung die MS-Kommandozentrale und später das Hauptbüro der ZK der kommunistischen Partei der Ukraine. In der Architektur spiegelt sich die unglückliche Geschichte des Landes.
 
Der jetzige ukrainische Nationalismus, der hier in pathetischen Worten beschworen wird, unterscheidet sich von früheren, anderen Nationalismen, die auf Eroberungen und Unterdrückung von Nachbarn aus war, durch seine defensive Friedfertigkeit. Daß die Ukraine völkerrechtswidrig überfallen wurde, ist unbezweifelbar.  Ukrainische Kriegsziele bestehen darin, den Krieg zu beenden, in der Rückgabe aller besetzten ukrainischen Gebiete. Freiheit und das Recht, über den eigenen Weg frei zu bestimmen, sollen die Grundlage von Verhandlungen mit Russland sein und bleiben.  Golda Meir wird zitiert: „Wir wollen am Leben bleiben. Unsere Nachbarn wollen unseren Tod. Das ist keine Frage, die Spielraum für Kompromisse läßt“.  Tatsächlich wird in diesem Stellvertreterkrieg am Dnjepr und am Donbass eigentlich unsere Freiheit, unser Selbstbestimmungsrecht, unsere Demokratie derzeit verteidigt. Das Buch stimmt nachdenklich!
Die Autorenerlöse aus dem Verkauf dieses Buches gehen an United24, eine von Wolodymyr Selenskyj ins Leben gerufene Initiative, die Spenden für die Unterstützung der Ukraine sammelt.
 
Wolodymyr Selenskyj – „Botschaft der Ukraine“
Aus dem Englischen von Christian Bernhardt und Gisela Fichtl - (Die Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titele A Message from Ukraine bei Hutchinson Heinemann).
©2022 Wolodymyr Selenskyj, Siedler Verlag München, 157 Seiten, gebundenes Buch - ISBN-13: 9783827501738
16,- €