Zum Neujahr
Bald, so wird es zwölfe schlagen.
Prost Neujahr! wird mancher sagen; Aber mancher ohne rrren! Denn es gibt vergnügte Herren. Auch ich selbst, auf meinen Wunsch, Mache mir ein wenig Punsch. - Wie ich nun allhier so sitze
Bei des Ofens milder Hitze, Angetan den Rock der Ruhe Und die schönverzierten Schuhe, Und entlocke meiner Pfeife Langgedehnte Wolkenstreife, Da spricht mancher wohl entschieden: Dieser Mensch ist recht zufrieden! Leider muß ich, dementgegen, Schüttelnd meinen Kopf bewegen. - Schweigend lüfte ich das Glas. (Ach, wie schön bekömmt mir das!) - Sonsten wie erfreulich war es,
Wenn man so am Schluß des Jahres Oder in des Jahres Mitten Zum bewußten Schrein geschritten Und in süßem Traum verloren, Emsig den Kupon geschoren! Aber itzo auf die Schere Sickert eine Trauerzähre, Währenddem der Unterkiefer Tiefer sinkt und immer tiefer. - Traurig leere ich das Glas (Ach, wie schön bekömmt mir das!) - Henriette, dieser Name
Füllt mich auch mit tiefem Grame: Die ich einst in leichten Stoffen Herzbeklemmend angetroffen Nachts auf dem Kasinoballe, Sie, die später auf dem Walle Beim Ziewiet der Philomele Meine unruhvolle Seele Hoch beglückt und tief beseligt, Sie ist anderweit verehlicht, Ist im Standesamtsregister Aufnotieret als Frau Pfister, Und es wird davon gesprochen, Nächstens käme sie in Wochen. - Grollend lüfte ich das Glas. (Ach, wie schön bekömmt mir das!) - Ganz besonders und vorzüglich
Macht es mich so mißvergnüglich, Daß es mal nicht zu vermeiden, Von hienieden abzuscheiden, Daß die Denkungskraft entschwindet, Daß man sich so tot befindet, Und es sprechen dann die Braven: Siehe da, er ist entschlafen. Und sie ziehn gelind und lose Aus der Weste oder Hose Den geheimen Bund der Schlüssel, Und man rührt sich auch kein bissel, Sondern ist, obschon vorhanden, Friedlich lächelnd einverstanden. - Schaudernd leere ich das Glas. (Ach, wie schön bekömmt mir das!) - Wo wird dann die Seele weilen?
Muß sie sich in Duft zerteilen? Oder wird das alte Streben, Hübsche Dinge zu erleben, Sich in neue Form ergießen, Um zu lieben, zu genießen, Oder in Behindrungsfällen Sehr zu knurren und zu bellen? Kann man, frag' ich angstbeklommen, Da denn gar nicht hinterkommen? Kommt, o kommt herbeigezogen, Ihr verehrten Theologen, Die ihr längst die ew'ge Sonne Treu verspundet in der Tonne. Überschüttet mich mit Klarheit! - Doch vor allem hoff' ich Wahrheit Von dem hohen Philosophen; Denn nur er, beim warmen Ofen, Als der Pfiffigste von allen, Fängt das Licht in Mäusefallen. - Prost Neujahr! Und noch ein Glas! (Ei, wie schön bekömmt mir das!) - Uh, mir wird so wohl und helle!
Himmel, Sterne, Meereswelle, Weiße Möwen, goldne Schiffe; Selig schwanken die Be-jiffe, Und ich tauche in das Bette Mit dem Seufzer: Hen-i-jette! *
Ach, Herr, mach alles gut und recht,
Dämpf die Pfaffen und Kriegsknecht.
Gib Frieden, dazu viel edlen Wein,
Auf daß wir allsamt lustig sein.
Wilhelm Busch
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