Stiefkind der Regierung

Der Bundeswehr geht die Munition aus

von Lothar Leuschen

Foto © Anna Schwartz
Stiefkind der Regierung
 
Der Bundeswehr geht die Munition aus
 
Von Lothar Leuschen
 
Von Zeitenwende war die Rede, von jahrelangen Versäumnissen und deren Beseitigung. Wenige Tage nach dem Einmarsch russischer Truppen ins Nachbarland Ukraine hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sich in seiner bisher klarsten und besten Rede vor dem Deutschen Bundestag für die Sanierung und Modernisierung der Bundeswehr ausgesprochen und ausdrücklichen Beifall auch der Union geerntet. Das Versprechen besteht immer noch. Aber alles spricht dafür, daß es bisher nicht im Ansatz gehalten worden ist. Von den 100 Milliarden Euro, die ins Militär investiert werden sollten, von der Modernisierungs- und Beschaffungsoffensive ist weit und breit nichts zu sehen. Das hat sicher auf der einen Seite auch mit einer zuständigen Behörde zu tun, die seit Jahren zunehmend mehr sich selbst verwaltet als den Bestand an Ausrüstung, Waffen und Gerät. In der Hauptsache könnte es aber daran liegen, dass die Bundeswehr das Stiefkind der Ampelregierung ist. Und das liegt wahrscheinlich an der SPD, wenn selbst der Vorzeige-Grüne Anton Hofreiter sich mittlerweile nicht mehr scheut, als Waffenexperte und Armeelobbyist aufzutreten. Ihm gegenüber steht in der Sozialdemokratin Christine Lambrecht eine Verteidigungsministerin, die immer wieder den Eindruck macht, unter ihrem Amt zu leiden. Und auch bei Kanzler Scholz stehen Soldaten und deren Ausrüstung offenkundig nicht sehr weit oben auf der Agenda.
 
Natürlich gibt es unzählige Organisationen und Aufgaben, für die vermutlich fast jeder gern mehr Geld ausgäbe als für das Militär. Aber Olaf Scholz selbst hat in seiner beeindruckenden Rede am 27. Februar die Zeitenwende ausgerufen, er hat die Fährnisse der neuen Welt beschrieben und die Folgen für Deutschland skizziert. Bedauerlicherweise ist jetzt wieder die Zeit der Armeen. Der Traum, von Freunden umgeben zu sein, ist ausgeträumt. Deutschland ist gezwungen, seine Verteidigung zu ertüchtigen und seine Verpflichtungen gegenüber der Nato zu erfüllen. Die Bundeswehr braucht Plan, Orientierung, Material und jemanden an der Spitze des Verteidigungsministeriums, der in der Gegenwart angekommen ist.
 
 
Der Kommentar erschien am 29. November 2022 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.