jetzt bin ich hier. jetzt bin ich fort.

K.D.M. Schönecker – „Dakota Suite“

von Frank Becker

jetzt bin ich hier. jetzt bin ich fort.
 
Rare Lyrik von K.D.M. Schönecker
 
Lyrik, zumal zeitgenössische, ist ein heikles Geschäft. Da wird von vielen hemmungslos rumgedichtet, im Glauben ein neuer Hesse, George oder Fried zu sein. Und es finden sich sogar Verlage dafür, obwohl jeder weiß, daß mit Lyrik kaum ein Geschäft zu machen ist.
Da ist es ungeheuer erleichternd, ja beglückend, den Erstling eines bis dato durch zahlreiche Buchveröffentlichungen auf dem Feld der Philosophie und allenfalls durch die Beteiligung an Anthologien und durch Feuilleton-Beiträge aufgetretenen Lyrikers aufzuschlagen – und gefesselt zu sein. K.D.M. Schönecker, Professor für Praktische Philosophie an der Universität Siegen, legt eine schmale, nichtsdestoweniger inhaltsreiche Sammlung von Gedichten vor, die – teils schon an anderer Stelle erschienen – unter dem Titel „Dakota Suite“ ein echter Fund, von mir aus auch ein echtes Pfund ist.
 
Wir sind im Herbst, und klug eröffnen Autor und Verlag den Reigen mit blätter, passend zu Zeit und Stimmung. Es sind Verse, Enjambements, die beim Lesen runtergehen wie herber Wein, allein der Beginn mit
die eier des windhuhns sind am ende
zerbrechlich. das gibt zu denken.
und dem Ausgang
ein frischer wind macht husch
amüsieren mit dem, was der Dichter dazwischen sagt, bei großer Tiefe. Und wer könnte, in den Frühherbst des Lebens gekommen, Schönecker sein sommer nicht nachfühlen:
 
grausamer als der april ist august.
ich werfe einen blick auf alle die
die doch nur weitergehn. was haften bleibt
das haftet nur an mir, die gnade
bleibt nicht stehn. ich will
das mittagsgold, das mädchenauge
sehn wie es die zeit beschenkt.
will ja auch dich, du nie gehabte
und ja, auch dich, du schwarzäugige
susanne magst du heißen oder clara.
wie schön ihr seid wie aus der erde.
und auch ein sonnenröschen will
den kopf nicht drehn. ach
wie heut die winde wehn.
 
So möchte man begeistert weiter zitieren, doch wir sind erst beim zweiten Beitrag dieses kostbaren, in vier Zyklen aufgeteilten Büchleins. Feinste Beobachtungen zum Alltäglichen des Lebens und seiner wiederkehrenden Mechanismen, die Offenbarung von Liebe und Sehnsüchten, Rettung, Tod und Kuß, Zweifel und Verlust, die Benennung von Wirklichkeiten, auch bzw. eben den harschen, geben Schöneckers Versen Gültigkeit, sind klein erscheinende, aber große Wahrheit wie in am rhein:
 
komm, noch eine zigarette, wie früher
gedreht, mit blättchen, der herbst
hat früh genug. gestern wuchs hier speck
und blutwurst hing vom himmel.
(…)
jetzt bin ich hier. jetzt bin ich fort.
 
K.D.M. Schöneckers bestattung hat in seinem Realismus den schmunzelnden Ton von Hanns Dieter Hüschs Nachfeier. Kommt Schönecker gar vom Niederrhein? Seinen Titel bezieht das Buch aus dem ebenfalls wie sommer unter die Haut gehenden Gedicht hotel des zweiten Zyklus, wo es heißt:
als wir bezahlten, blitzte berlin im abend-
rot von coca cola. Die dakota suite war frei,
unser faradayscher käfig. wir nicht.
(…)
 
In den 78 zwischen zwei feste Buchdeckel gefaßten Seiten finden wir herausragende zeitgenössische Lyrik von Rang. Von den Musenblättern sehr empfohlen.
 
K.D.M. Schönecker – „Dakota Suite“
Gedichte
© 2022 Königshausen & Neumann, 78 Seiten, gebunden  -  ISBN: 978-3-8260-7662-6
21. €