Foto © Anna Schwartz Gefährliche Phase   Putins Teilmobilmachung und deren Folgen   Von Lothar Leuschen     Der Krieg Russlands gegen die Ukraine scheint in eine ebenso entscheidende wie gefährliche Phase einzutreten. Wenn es richtig ist, daß die von Putin angekündigte Teilmobilmachung ein Zeichen der Schwäche ist, dann ist das kein Grund, erleichtert zu sein. Deshalb ist es auch richtig, daß die EU ihre Sanktionen gegen Russland und Purtins Clique verstärken will. Der russische Machthaber hat sich mit seiner „militärischen Spezialoperation“ nach dem Stand der Dinge ins eigene Fleisch geschnitten, auf Kosten von zigtausend Toten. Daß er nun mit dem Äußersten droht, .zeigt nur, wie verletzt der russische Bär ist. Aber jeder Jäger weiß, daß verletzte Tiere gefährlich sind. Deshalb ist es zwar richtig, die Entschlossenheit des Westens zu betonen, Putin niederzuzwingen. Gleichzeitig heißt es aber, auf der Hut zu sein. Denn wenn der Despot aussichtslos in die Enge getrieben worden ist, kann er womöglich seine Drohung immer noch wahr machen. Und alles spricht dafür, daß seine strategischen Nuklearwaffen vor allem in Deutschland und Polen niedergehen, wenn sie ihr Ziel erreichen.   Deshalb ist es erstens angezeigt, neben der unmißverständlichen Härte gegen Russland und Loyalität zur Ukraine zu versuchen, den Gesprächsfaden aufzunehmen, den China nach Putins Teilmobilmachung ausgeworfen hat. Außerdem kann es hilfreich sein, sich den Menschen in Russland zuzuwenden, die gegen den Krieg sind. Das mögen aktuell zwar nur 25 Prozent der Bevölkerung sein. Sie zu unterstützen, könnte aber auch bei noch Unentschlossenen den Mut zum verbalen Widerstand mehren. Und es ist vielleicht keine gute Idee, jungen Russen die Flucht nach Europa zu verweigern, die nicht in Putins offenbar schlecht ausgerüsteter und schlecht vorbereiteter Armee dienen wollen. Schließlich muß die Europäische Union auch in der größten Krise des alten Kontinents seit dem Zweiten Weltkrieg dokumentieren, was sie tatsächlich auch ist: eine Insel der Freiheit demokratischer Staaten und - die einzig richtige und überlebensfähige Alternative zu Despotismus und Diktatur.       Der Kommentar erschien am 23. September 2022 in der Westdeutschen Zeitung. Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.