Gut gemeint, aber durch und durch ein Mißverständnis

„Peter von Kant“ von François Ozon

von Renate Wagner

Peter von Kant
Frankreich 2022

Drehbuch und Regie: François Ozon
Mit: Denis Ménochet, Isabelle Adjani, Hanna Schygulla, Khalil Ben Gharbia, Stefan Crepon
 
Rainer Werner Fassbinder war vermutlich keine angenehme Persönlichkeit, und das filmische Werk, das er hinterlassen hat, ist von unterschiedlicher Qualität. Dennoch zählt er zu den großen Namen der deutschen Filmgeschichte und ist auch international ein Begriff. Vor nicht allzu langer Zeit war er in einem ausgewiesenen Biopic Held seiner eigenen Geschichte (Oskar Roehlers „Enfant terrible“, 2020). Nun hat der französische Regisseur François Ozon, vordringlich bekannt durch seinen Star-besetzten Bestseller-Film „8 Frauen“, sich zu einer Hommage an und einer Paraphrase auf Fassbinder entschlossen, was wohl eine Huldigung sein soll. Die aber, um es vorweg zu nehmen, eigentlich nur zeigt, wie wenig der französische Hochglanz-Regisseur von dem „dreckigen“ Deutschen begriffen hat.
 
Der Titel „Peter von Kant“ bezieht sich auf Fassbinders „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ und hat einige inhaltliche Parallelen, nur daß es nicht hier um eine Heldin geht, die Modeschöpferin ist, sondern um einen abgehalfterten Filmregisseur, der natürlich Fassbinder darstellen soll, aber Denis Ménochet wirkt bei oberflächlicher äußerlicher Ähnlichkeit doch keinesfalls wie das haltlose, zerstörte Original . So wie Petra ihre Sekretärin demütigt, tut Kant es mit seinem Adlatus und Mann für alles, Karl (Stéfan Crépon als lange schweigend williges Opfer, bevor es ihm am Ende zu viel wird).
Aus dem Model, in das sich Petra verliebt, wird Amir (Khalil Ben Gharbia, so jugendlich attraktiv, wie es die Rolle verlangt), ein junger, aufstrebender Schauspieler nordafrikanischer Herkunft, der sich – seine Karriere im Auge – nur zu gern auf ein Verhältnis mit dem alternden Regisseur einläßt, der seine Wohnung nicht mehr verläßt. Die Abgründigkeit einer Gefühlswelt, die Seelenkälte mit dem Schrei nach Liebe verbindet, wo Egoismus und Machtspiele auf Kant zurückfallen, wird hier nicht besonders aufregend.
 
Die dahin fließende Handlung gliedert sich durch die auftretenden Personen, wobei der unterwürfige Amir der Anfänge einige Zeit später ein überheblicher, Kant sadistisch quälender, erfolgreicher Schauspieler geworden ist. Daß der reale Fassbinder dafür bekannt war, sich mit abgehalfterten Ex-Berühmten zu umgeben, wird durch den dramaturgisch wenig einsichtigen Auftritt von Isabelle Adjani als Sidonie zitiert, die – heute Mitte 60 – ein Bild von operativ erstarrter Schönheit bietet, die so leer wirkt, wie es wohl beabsichtigt ist. Schließlich taucht noch seine Mutter auf, der einzige „echte“ Fassbinder-Beitrag in Gestalt von Hanna Schygulla als Rosemarie, die etwas von der original Fassbinder’schen Exzentrik mitbringt und schrecklich distoniert, wenn sie „Guten Abend, gut Nacht“ singt…
Die Geschichte spielt angeblich in Köln, aber außer „Prost“ oder „Mutti“ ist in diesem durch und durch gelackt-französischen Film nichts Deutsches zu finden. Vor allem aber nichts von der aufregenden, oft auch abstoßenden Herausforderung, die die besten von Fassbinders Filmen bedeutet haben. Gut gemeint, aber durch und durch ein Mißverständnis.
 
 
Renate Wagner