... weil die Substanz zu dünn ist

„Die Zeit, die wir teilen“ von Laurent Larivière

von Renate Wagner

Die Zeit, die wir teilen
(À propos de Joan - Frankreich, Deutschland 2022) 

Drehbuch und Regie: Laurent Larivière
Mit: Isabelle Huppert, Lars Eidinger u.a.
 
Isabelle Huppert sitzt am Steuer ihres Wagens und spricht in die Kamera, und weil sie Isabelle Huppert ist, erwartet man als Kinobesucher natürlich bei ihrem Kaliber eine tolle Story. Die nicht mehr junge Frau zieht sich zurück, um über ihr Leben zu reflektieren. Aber dazu hat Drehbuchautor ( Regisseur Laurent Larivière in seinem Film „Die Zeit, die wir teilen“ (ziemlich holpriger Titel, das Original „À propos de Joan“ überzeugt mehr) im Grunde nicht viel zu bieten. Zwischen Gegenwart und Vergangenheit changierend, ist die Geschichte von Joan Verra, in ihrer Gegenwart eine französische Verlegerin, auf keiner Ebene wirklich spannend.
 
Gut, die junge Joan (Freya Mavor), die einst in Irland lebte, hat sich dort in einen schrägen Typen (von „Beruf“ Dieb) verliebt, und dieser Doug (als junger Mann: Éanna Hardwicke) wirkte ganz abenteuerlich – wenn er als alter Mann (Stanley Townsend) wieder bei ihr auftaucht, ist er ziemlich schäbig. Sollte das die Aussage des Films sein – wie von dem vagen Glanz der Jugend rein gar nichts bleibt?
Und was bietet die Gegenwart? Einen Sohn (Swann Arlaud), auf dessen „dramaturgisches“ Geheimnis man erst nach und nach kommt, eine verstorbene Mutter, zu der es keinen Kontakt gab und in deren Wohnung Joan hilflos steht – ja, und der Mann, der den Film, den die amerikanische Kritik  als „Eurotrash“ abtat, als er bei der diesjährigen Berlinale vorgestellt wurde, vielleicht für deutschsprachige Zuschauer interessant macht.
Denn Lars Eidinger, viel beachtet bei allem, was er tut, zuletzt als der exzessivste Jedermann aller Zeiten, spielt hier den deutschen Schriftsteller Tim Ardenne, den Joan vertritt, und er tut es so exzentrisch, wie man es von ihm gewohnt ist. Affektiert, mit Langhaar, zelebriert er sich als angeberischer Autor zwischen seiner deutschen Muttersprache (ein peinliches TV-Interview, wo er seine Liebe zu Joan öffentlich gesteht) und einem passablen, deutsch gefärbten Französisch (wie auch anders). Er als Figur ist so plattitüdenreich wie der ganze, nicht immer spannende Film andauernd.
 
An sich gäbe es ja genügend Beziehungen in der Geschichte, aber dem Regisseur gelingt es nicht, sie spannend zu machen. Am Ende hätte man gern ein bisschen Nutzanwendung, was Laurent Larivière eigentlich erzählen wollte, steht aber mit leeren Händen da.
Früher hätte man gesagt: Aber Isabelle Huppert! Sie macht aus allem eine große Rolle. Doch die Zeiten, wo sie unter wirklich anspruchsvollen Aufgaben wählen konnte, scheinen vorbei. Man spielt, was man bekommt. Und kann dann, weil die Substanz zu dünn ist, das Projekt nicht wirklich retten.
 

Renate Wagner