Gassenhauer

StarkLinnemann – „Transcending Liszt Vol. 1“

von Frank Becker

Gassenhauer
 
Liszt im neuen Gewand
 
Paul Stark und Jonas Linnemann trauen sich was: einigen von Franz Liszts Gassenhauern ein neues Gewand auf den musikalischen Leib zu schneidern. In auf die Gerüste der Originale re- bzw. neu komponiert treten uns auf dem jüngsten Album des → hier schon lobend vorgestellten Duos vier bekannte Stücke entgegen: den Liebestraum No. 2, die Ungarische Rhapsodie No. 2, das Ave Maria von 1863 und Vallée d´Obermann (1835/36).
 
Mit dem Liebestraum Nr. 2, dem Jonas Linnemann gut das doppelte von dessen ursprünglicher Dauer einräumt, eröffnen die beiden Ausnahmemusiker und ihr bewährter Gast Maciej Domaradzki am Kontrabaß die gut 1¼ Stunden dieses jazzigen Neukennenlernens des großen österreichisch-ungarischen K.u.K.-Komponisten (1811-1886). Zwar elegant-dynamisch klavierbetont bekommt das Stück ab Minute acht durch ein atemberaubendes Schlagzeug-Solo Jonas Linnemanns seinen ganz besonderen Akzent. Linnemann leitet dann auch gleich die folgende Ungarische Rhapsodie Nr. 2 mit karibischen Bongo-Rhythmen ein, aufmüpfig wie einst Liszt selbst in seinen Ungarischen Rhapsodien, mit denen der gebürtige Ungar den Freiheitswunsch entrechteten Volkes ein musikalisches Denkmal setzte. Hier nimmt der gestrichene Kontrabaß Domaradzki im ersten Drittel eine entscheidende Position ein. Farbig, temperamentvoll, höchst lebendig werden die 24 Minuten präsentiert - wieder hat Stark die ursprüngliche Dauer des Stückes durch raffinierte Schleifen und markante Soli auf mehr als das doppelte gebracht. Keine Minute zuviel!
 
Während verschiedener Rom-Aufenthalte ab 1861 entstand 1862 Lizsts Bearbeitung des Ave Maria für Orgel von Jacob d'Arcadelt. Paul Stark hat Liszts Idee nun abermals zu einer sanften „Auferstehung“ überarbeitet – ein perlender Genuß, der dem Klavier artig den Vortritt läßt.
Auch die Schweiz hat ihre musikalischen Spuren in Liszts Werk hinterlassen. Das Vallée d’Obermann ind den Alpen inspirierte ihn 1835/36 im Rahmen seines Albums eines Reisenden zu dem gleichnamigen Stück für Solo-Klavier, das zum Standard aller großen Klaviervirtuosen seither gehört. In Starks Bearbeitung, besser: Neu-Komposition verliert es einiges seiner ursprünglichen Melancholie, gewinnt an Klangfarbe durch den singenden Kontrabaß und das dezent eingesetzte Schlagzeug. Auch hier verdoppelt sich die Spielzeit, gelegentlich swingend, annähernd – und wieder kann man sagen, daß es keine Minute zuviel ist.
 
Des Meisters neue Kleider stehen ihm gut. Den Schneidern ein herzliches „Chapeau!“. Eine Empfehlung der Musenblätter.
 
StarkLinnemann – „Transcending Liszt Vol. 1“
© 2022 UCM Records (CD)
Paul Stark (piano, recomposition 3 & 4) – Maciej Domaradzki (bass) – Jonas Linnemann (drums, percussion, recomposotion 1 & 2)
 
1. Liebestraum (10:49) – 2. Hungarian Rhapsody No. 2  (23:58) – 3. Ave Maria (16:24) – 4. Vallée d´Obermann (23:10)
Gesamtzeit: 1:14:35
 
Weitere Informationen: www.ucm-records.com  -  www.starklinnemann.com