Witz, Humor und Ironie klavieristisch

Georg Kreisler - Das Klavierwerk, fünf Lieder für Barbara

von Johannes Vesper

Witz, Humor und Ironie klavieristisch
 
Klaviermusik von Georg Kreisler
 
Tauben vergiften im Park“, den „Ehemann bitte erschießen“, alle seine alten bösen Lieder bieten schwarzes Vergnügen, noch heute. Patrick Hahn sang sie kürzlich, wie Georg Kreisler sich selbst auf dem Klavier begleitend, vor großem Publikum im ausverkauften Barmer Opernhaus. Daß Kreisler neben seinen satirischen Chansons auch ernsthafte Klaviermusik geschrieben hat, ist weniger bekannt. In Wien geboren, erhielt er in der Jugend Klavier- und Geigenunterricht. Ohne Schulabschluß mußte er nach dem „Anschluß“ 1938 Österreich Richtung USA verlassen, hätte dort beinah bei Arnold Schönberg Komposition studiert, was aber die Zeitläufe nicht zugelassen haben. Er schlug sich als Pianist und Arrangeur in Hollywood durch, machte mit Charlie Chaplin Filmmusik und zog 1946 nach New York. Dort bestritt er seinen Lebensunterhalt als Sänger und musikalischer Kabarettist mit eigenen Liedern.
 
     1947 hatte er „wenig Geld und viel Hunger“ und versuchte musikalisch „eine Verbindung zwischen seiner klassischen Ausbildung mit der Welt der Ironie und des Humors einzugehen“ vermutet die Pianistin Sherri Jones. In erhaltener Tonalität kontrastieren diese schwermütigen, melancholischen nahezu romantischen Klavierstücke aus der Zeit stark mit seinen Kabarettliedern damals auf eigene englische Texte. Seine Sonate für Klavier komponierte er 1952. Da verdiente er sein Brot in der legendären Monkey Bar.  Stilistisch stark beeinflußt von der Musik seiner Jugend (Satie, Strawinsky, Bartok) schreibt er nach zerrissenem, bedeutendem ersten Satz mit schneller Motorik, Anmutungen von Jazz und überraschendem PP im letzten Takt einen Walzer im 2. Satz ohne jede Wiener Walzeragogik. Wenig später, noch vor seiner Rückkehr nach Wien entstanden als letzte Klavierwerke fünf Bagatellen. Nach „bissigem, düsterem“ Allegro furioso folgt ein kaputter Walzer, der als Symbol Wiener Lebensart und Schmäh („Wie schön wäre Wien ohne Wiener“) zerstört wird durch sehr strenge Taktzeiten. Möglicherweise spiegelt er so seine persönlichen Enttäuschungen in der Jugend als Jude in der Stadt wider.

     Die „Fünf Lieder für Barbara“, eine Hommage an seine zweite Ehefrau und Partnerin Barbara Kreisler-Peters über 36 Jahre, komponierte er 2011 kurz vor seinem Tode. Vier der „seltsamen Gesänge“ hat er selbst verfaßt.  Im letzten, Wilhelm Müllers „Lindenbaum“, welches ja auch Schubert vertont hat, zitiert er, wissend „es klingt ein bißchen linkisch“, aus seiner „Lola Blau“ „Ich liebe Dich“.  Stimuliert wurde er zu den Liedern im hohen Alter von 89 Jahren durch die gemeinsame Arbeit mit der jungen Pianistin Sherri Jones, die seine frühe Klaviermusik 2008 eher zufällig im Kreisler-Archiv der Berliner Akademie der Künste entdeckt hatte. Die amerikanische Pianistin lebt seit vielen Jahren in Berlin, hat hier u.a. Klaviermusik von Volker David Kirchner und Kurt Weill bekannt gemacht. sich auch dieser Musik angenommen und sie 2012 uraufgeführt.  Authentizität kann man ihr nicht absprechen, hat sie doch mit Georg Kreisler zusammen diese Stücke einstudiert und die Notenausgabe besorgt.  Zusammenfassend stellte sie im Gespräch mit dem Musikwissenschaftler Albrecht Dümling (Deutschlandfunk, Musikfeuilleton) fest, das Kreisler auch in seiner Klaviermusik wie kein anderer Witz, Ironie, Humor, Ironie mit Verzweiflung und Schönheit verbunden hat. Ein Juwel moderner Klaviermusik!    
 
Georg Kreisler (1922-2011) - Das Klavierwerk, fünf Lieder für Barbara
© 2015 Wergo Colours in Koproduktion mit Rundfunk Berlin-Brandenburg
Sherri Jones (Klavier) - Olivia Vermeulen (Mezzosopran) (9-13), Andreas Reiner (Violine) (9-13)
Stücke:
1.-5. Fünf Bagatellen für Klavier (1953) - 6.-8. Sonate für Klavier - 9.-13. fünf Lieder für Barbara (für Mezzosopran, Kavier und Violine) - 14.-16. drei Klavierstücke.
Gesamtzeit: 51:29
 
Weitere Informationen:  www.wergo.de