Rauschhafte Orgie aus schnellen Bildern

„Elvis“ von Baz Luhrmann

von Renate Wagner

Elvis
USA 2022

Regie: Baz Luhrmann
Mit: Austin Butler, Tom Hanks, Olivia DeJonge u.a.
 
Diesen Film als „Biopic“ zu bezeichnen, trifft die Sache kaum. Der australische Filmemacher Baz Luhrmann, der nicht oft, aber dann doch beeindruckend in Erscheinung getreten ist (vor allem mit „Moulin Rouge“), zeichnet nur rudimentär die äußere Lebensgeschichte von Elvis Presley nach. Vielmehr geht es ihm um den größeren Zusammenhang von „Making a Star“ in Sinn von dem Kreieren einer Marke sowie darum, was das Auftauchen dieses Elvis Presley Mitte der Fünfziger Jahre für ein puritanisches Amerika bedeutete, das endlich bei seinen rockenden Zuckungen „die Sau rauslassen“ und sich selbst in Ekstase schaukeln konnte.
Es ist vor allem die Machart, die diesen Film auszeichnet und auch beeindruckt – ein wahnwitzig schnelles Puzzle aus Einzelteilen, Live-Material von anno dazumal, ein Bild des Amerika der Fünfziger bis Siebziger Jahre, am Schneidetisch zu einer rauschhaften Orgie aus schnellen Bildern des damaligen Amerika montiert. Hier wurden originale und nachgestellte Szenen aus Elvis Leben zu einem kaum überschaubaren Mosaik zusammen geklittert, um brave Ordnung des Erzählens geht es nicht. Mehr Atmosphäre als Fakten, mehr hintergründige Analyse als reale Geschichte. Wobei der Film in den Jugendszenen richtig darauf hinweist, wie sehr die „schwarze Musik“ für den Jungen aus den Südstaaten in Sound und Action Inspiration war.
 
Nun wird jeder, der Elvis Presley spielen will, es leicht und schwer haben. Leicht, weil er auch optisch so unverkennbar gestylt wurde, mit Schmolle und den seltsamen Kostümen, in die man ihn steckte, und im übrigen ist es der erotisierende Hüftschwung, der ihn auszeichnete. Andererseits war der originale Elvis durch die steife Hilflosigkeit, die ihn dahinter auszeichnete, unverkennbar, und auch der 30jährige Austin Butler, obzwar er dem Original immer wieder ähnlich sieht, kann nur eine äußere Annäherung erreichen. Zumal ist die Entwicklung vom naiven Boy zum ausgepowerten Wrack auch in zweieinhalb Stunden (viel zu lang, um das auch zu erwähnen) nicht ganz einfach nachzuzeichnen.
Da hat es Tom Hanks leichter, der immer anspruchsvoller in der Wahl seiner Rollen wird und sich hier als der berühmt-berüchtigte Presley-Manager „Colonel Parker“ in den typischen häßlichen Amerikaner verwandelt, glaubhaft verfettet (wenn es vielleicht auch nur die Masken- und Kostümbildner gemacht haben), der grobe, Zigarren rauchende „häßliche Weiße“, wie man sich die Trump-Wähler vorstellt. Immerhin hat er mit Instinkt, wenn auch mit keiner anderen Ambition als des kommerziellen Erfolgs, die Marke „Elvis“ kreiert, mit sicherem Gefühl dafür, was seine Mitbürger wollten – den „King“, den sie kreischend anbeten konnten. Und Parker ist ihm die gut zwei Jahrzehnte bis zu Presleys frühem Tod 1977 auf den Fersen geblieben. Ölig und lauernd, mit gelegentlich falscher Freundlichkeit liefert Hanks die Meisterleistung des Ganzen und ist der ideale Führer durch das Geschehen.
 
Die längste Zeit bietet der Film quasi nur Bruchstücke, erst am Ende wird dies und das mehr ausgespielt, vor allem die Szene, als Priscilla (Olivia DeJonge) sich von Elvis trennt. Daß das Ende tragisch, ja sentimental wird – gibt es eigentlich heute noch Elvis-Fans, denen das überhaupt wichtig ist?
Fazit: Luhrmann hat bei seinem Film „the making of Elvis“ aus einem verlorenen, einsamen, schüchternen Jungen anders gesehen als in den üblichen Spielszenen. Ob er in seiner lauten langen Revue der hektischen Schnitte Elvis als Person eingefangen hat, möchte man eigentlich bezweifeln. Wohl aber packt er das Amerika seiner Zeit und was diese „Marke“ Presley zwischen Rock und Schmalz für seine Epoche bedeutet hat, wo es nur Schallplatten und Fernsehapparate gab und nichts sonst und der Junge als Memphis dennoch die ganze Welt erreicht hat. Was hätte wohl das digitale Zeitalter aus ihm gemacht?
Und da ist ja noch die Musik, der ganz persönliche, elektrisierende Drive, den Presley einst vermittelte. Es gibt viel davon und treibt den Film voran und voran – bis zum Kopfweh des Betrachters.
 
 
Renate Wagner