Späte Sühne

Gabi Thieme – „Das fast perfekte Verbrechen“

von Frank Becker

Späte Sühne
 
Verbrechen, die beinahe nicht aufgeklärt wurden
 
Am 9. April 1987 fährt die 18-jährige Heike Wunderlich mit ihrem roten Moped Marke Simson nach Plauen, um ihre Mutter im Krankenhaus zu besuchen. Anschließend nimmt sie an einem Kurs in der Volkshochschule teil und trifft sich mit einer Freundin. Gegen 21.45 Uhr begibt sie sich trotz strömenden Regens auf den Heimweg nach Altensalz - doch dort kommt sie nie an. Einen Tag später findet man im Voigtsgrüner Wald ihre Leiche, daneben ihr Moped. Die junge Frau ist vergewaltigt und – wie Gerichtsmedizin und Rekonstruktion belegen, mit unfaßbarer Brutalität und Gefühlskälte erdrosselt worden. Vom Täter fehlt jede Spur - drei Jahrzehnte lang.
Im Sommer 2017, 30 Jahre nach dem Verbrechen, wird der Mörder Helmut Strohfeld durch DNA-Spuren und unwiderlegbare Gutachten überführt und zu lebenslanger Haft ohne Aussicht auf vorzeitige Entlassung verurteilt. Besonders interessant an diesem erschütternden Verbrechen ist zum einen die Beharrlichkeit, mit der zunächst der zuständige DDR-Ermittler Dieter Wolfram, später sein Nachfolger Enrico Petzold in der Bundesrepublik über 30 Jahre hinweg trotz Polizeireform, Auflösung von Mordkommissionen und Zuständigkeitsbezirken immer wieder den ungelösten Fall aufs Neue hervorholten. Zum anderen ist juristisch interessant, daß bei der Verurteilung des Mörders kombiniertes DDR- und bundesrepublikanisches Recht angewandt und vom BGH bestätigt wurde.

Die Journalistin Gabi Thieme hat den Prozeß verfolgt und akribisch Aussagen, Gutachten Spurenlage dokumentiert. Ihre minutiöse Berichterstattung macht die grausame Dimension dieses Verbrechens deutlich, dessen Schilderung man mitunter einfach nicht mehr folgen mag.
 
Zwei weitere Kriminalfälle hat Gabi Thieme aufgezeichnet, einen Sparkassenraub im erzgebirgischen Arnsfeld, bei dem zwei der Täter gefaßt werden und der dritte zwar bekannt, aber abgetaucht ist. Erst nach fast zwanzig Jahren, als die Verjährung droht, wird dem dritten Räuber ein Fehler zum Verhängnis, und einen Mord aus dem Jahr 2003, der als Unfall abgehakt beinahe in den Akten verschwunden wäre. Kriminalisten sind seit jeher der Meinung, daß es nachts auf Friedhöfen taghell wäre, wenn auf jedem Grab, in dem ein unentdeckt Ermordeter liegt, ein Licht brennen würde. So auch hier: Keiner vermutet, daß die Ehefrau nachgeholfen haben könnte. Erst 17 Jahre später entlockt die Tochter mit einer List ihrer Mutter das Geheimnis um den Tod des Vaters.
Das ist spannende, wenn auch erschreckende Lektüre, handelt es sich doch um reale Fälle mit schrecklichen menschlichen Schicksalen.
 
Gabi Thieme – „Das fast perfekte Verbrechen“
Aufsehenerregende Kriminalfälle aus Sachsen
© 2022 Verlag Bild und Heimat, 333 Seiten, Kartoniert / Broschiert - ISBN: 9783959583237
14,99 €
 
Weitere Informationen: www.bild-und-heimat.de