Brief an den Violinisten Franz Anton Morgenroth

von E.T.A. Hoffmann

E.T.A. Hoffmann, Selbstkarikatur
E.T.A. Hoffmann - Brief an den Violinisten Franz Anton Morgenroth in Dresden
 
Bamberg, den 26. Februar 1809
 
Mein liebster, teuerster Freund! Sie würden mir sehr unrecht tun, wenn Sie glauben wollten, ich hätte Sie nur einen Augenblick vergessen, aber tausend Unannehmlichkeiten und die beständige Hoffnung, Ihnen erfreulichere Dinge von mir sagen und auch etwas für die Verbesserung Ihres Schicksals tun zu können, haben mich so hingehalten und mein überlanges Stillschweigen verursacht. Jetzt hat die Sache so eine Art von Ziel erreicht und in wenig Worten melde ich Ihnen den tragikomischen Gang meines Eintritts in die Künstlerwelt. –
Gleich den ersten Tag, als ich hergekommen war, merkte ich es dem Herrn Unternehmer Heinrich Cuno an, daß sein hoher Grad von Windbeutelei und Unkenntnis die ganze Sache scheitern machen würde, und so ist es denn auch gekommen; er hat in wenigen Monaten Bankerott gemacht, und nach 6 Wochen hört das hiesige Theater auf. Das Orchester ist erbärmlich, die Fagotts Kämme, die Hörner Brummeisen und die Violinen Pappendeckel, dabei besitzen die Herren Capellisten des vorigen Bischofs, dem die Musik allemal Leibschneiden verursachte, einen Dünkel ohne Grenzen und sind nie vergnügter, als wenn sie eine Sache umgeworfen haben. Ich habe daher schon seit langer Zeit der Direction des Orchesters entsagt, bloß die Compositionen fürs Theater besorgt und mit einer Gage von 30 fl. Vorlieb genommen. Auf diese Weise hatte ich Zeit, nebenher zu componieren und im Gesange Unterricht zu erteilen, welches mein Auskommen, auch wenn das Theater aufhört und ich kein anderes Engagement finde, begründet, denn es lebt sich hier ganz angenehm und spottwohlfeil. In diesem Augenblick etabliere ich unter höherm Schutze eine Singakademie, welche allein mir soviel einbringen soll, daß ich zur Not leben kann. Sie mit Ihrer Violine würden hier als ein Phoenix und rara avis bewundert werden, denn der erste und einzige Violinspieler hier, Hr. Conzertmst. Dittmayer, spielt wenigsten 12mal schlechter als Sie. Die Hoffnung, daß Sie wieder neben meinem Flügel stehen und losstreichen sollten, gebe ich noch gar nicht auf, und vielleicht kann eine Reorganisation des Theaters und Orchesters Sie noch mit Vorteil nach dem schönen, wohlfeilen Bamberg bringen.
Es schlägt halb sechs Uhr – ich muß ins Theater, um in der Zauberflöte das Glockenspiel zu handhaben, für diesmal daher nur die Versicherung, daß ich beständig an Sie denken und mit Herz und Seele sein werde.
                                               
                                                                                    Der Ihrige
                                                                                                                                       Hoffmann
 
Meine Frau grüßt Sie auf das innigste und freundlichste. Die Bamberger Luft schlägt ihr an, sie wird zu meiner Freude dick und fett.