„Davon glaube ich kein Wort!“

Werner Heisenberg in der Anekdote

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer

„Davon glaube ich kein Wort!“

Werner Heisenberg in der Anekdote

Von Ernst Peter Fischer
 
Zu guter Letzt
 
Als die europäische Welt noch halbwegs in Ordnung war, im Jahre 1928, wartete der 16jährige Carl Friedrich von Weizsäcker in Berlin auf seinen 27jährigen Freund Werner Heisenberg, der auf dem Weg von Kopenhagen nach Leipzig war, wo man ihn zum Professor für Theoretische Physik ernannt hatte. Heisenberg mußte in Berlin umsteigen und sogar den Bahnhof wechseln, und er hatte Carl Friedrich gebeten, ihn dabei zu begleiten, weil es große Neuigkeiten gebe. Im Taxi sagte Heisenberg dann ganz aufgeregt, „Ich glaube, ich habe Kant widerlegt“. Er sprach von seiner Idee der Unbestimmtheit, die bedeutete, daß Atome und Objekte ihrer Größenordnung weder über einen bestimmten Ort noch über eine bestimmte Geschwindigkeit verfügten, es sei denn, ihnen würden die dazugehörigen Quantitäten durch einen messenden Beobachter zugewiesen. Das Subjekt bestimmte das Objekt, das selbst unbestimmt existierte, solange seine Eigenschaften – wörtlich – nicht festgestellt, also nicht ermittelt und gemessen waren. Damit kann die klassische Vorstellung von Kausalität nicht aufrechterhalten werden, sie muß vielmehr im Lichte der neuen physikalischen Erfahrung mit Atomen geändert werden, und genau dies hatte Immanuel Kant in seinen erkenntnistheoretischen Schriften kategorisch ausgeschlossen, der im dem vertrauten Prinzip von Ursache und Wirkung „ein synthetisches Urteil a priori“ sah, das der Beschreibung von möglichen Erfahrungen diente und ihnen stets vorauszugehen hatte.
 
       Die beiden jungen Männer im Taxi, der Teenager von Weizsäcker und der Twen Heisenberg, wußten jetzt, daß die Kausalität komplizierter war und die Philosophen sich noch einmal an die Arbeit des Denkens machen mußten. Als sie den Bahnhof erreichten und Heisenberg zu seinem Zug nach Leipzig eilte, entschied sich Carl Friedrich noch nicht nach Hause, sondern in die Straße zu gehen, in der Einstein wohnte. Wenn der verehrte Mann das Haus verlassen würde, könnte der Junge ihm sagen, was er gerade von Heisenberg gelernt hatte.
 
       Schade, daß das nicht geklappt hat. So eine schöne Vorstellung: Ein Knabe in kurzen Hosen erklärt dem großen alten Mann mit dem wüsten Haar, daß der „Alleszermalmer“, wie Kant bereits im 18. Jahrhundert genannt wurde, und seine Gefolgsleute sich verschluckt und noch etwas zu Kauen hatten. Tatsächlich, die Welt des Geistes war in Bewegung geraten und die Wissenschaftler hatten daran Geschmack gefunden, und an dieser lebendigen Situation hat sich seitdem nichts geändert. Die Menschen können sie immer noch genießen.
 

© Ernst Peter Fischer