„Davon glaube ich kein Wort!“

Archimedes in der Anekdote

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer

„Davon glaube ich kein Wort!“

Archimedes in der Anekdote

Von Ernst Peter Fischer
 
Heureka
 
Wenn ganz zuletzt ganz zu den Anfängen der Wissenschaft gegangen werden darf, landen die Erzählungen bei dem großen Archimedes, der in vorchristlichen Zeiten in Syrakus lebte und als ein vielseitiger Mann bekannt war. Eines Tages bat ihn sein König Hieron II. um Hilfe. Er hatte eine Krone aus Gold bestellt und bekommen, mißtraute aber dem Hersteller und vermutete, daß zwar außen alles glänzend Gold war, daß der Schmied innen aber stumpfes Blei hineingeschmuggelt habe. Ob Archimedes herausfinden könne, ob der königliche Verdacht stimme, ohne die Krone zu beschädigen, so lautete die Frage.
       Niemand weiß, welche Überlegungen der vor allem mit mathematischen Fähigkeiten gesegnete Archimedes im Laufe der kommenden Zeit angestellt hat. Bekannt ist nur die Geschichte, daß er eines Tages nackend durch die Straßen von Syrakus gelaufen und „Heureka!“ gerufen hat, „Ich hab´s gefunden!“ Die körperliche Nacktheit rührte davon her, daß Archimedes aus einer Badewanne gesprungen war, die er zum Überlaufen gebracht hatte, als er in ihr Platz nahm. Dabei fiel ihm zum einen auf, daß die Wassermenge, die er verdrängt hatte, dem Körpervolumen entsprach, das jetzt unter Wasser saß. Und ihm fiel zum zweiten auf, daß die gleichen Größen – die Flüssigkeit und der feste Körper – unterschiedlich viel Gewicht auf eine Waage bringen. Wenn man – so die Überlegung – die Krone und ein Stück Gold mit dem gleichen Gewicht in ein bis zum Rand gefülltes Gefäß eintauchen würde, und wenn in beiden Fällen gleich viel Wasser über den Rand laufen würde, dann wäre die Krone aus reinem Gold. Wenn nicht, dann …, ja dann hatte der Schmied gepfuscht, wobei an dieser Stelle offen bleiben soll, wie die von dem römischen Architekten Vitruv überlieferte Geschichte ausgegangen ist.
       Die Geschichte von Archimedes´ Leben ist nicht gut ausgegangen, denn als die Römer seine Heimatstadt eroberten und die plündernden Soldaten ihn von dem Platz vertreiben wollen, auf dem er im Sand mit geometrischen Figuren und mathematischen Beweisen beschäftigt war, wollte er von seiner Beschäftigung nicht ablassen. „Störe meine Kreise nicht“, wie Archimedes einem Soldaten zurief, der daraufhin dafür sorgte, daß dies die letzten Worte des großen Mannes waren.
       Der Hinweis auf Kreise – also auf nicht gradlinige und eher krumme Figuren – erlaubt den Schluß, daß sich Archimedes auf Berechnungen und Beweise konzentrierte, die eine mathematische Größe benötigten, die damals zum ersten Mal ins wissenschaftliche Spiel kam und im Laufe der folgenden Jahrtausende es geschafft hat, der modernen Welt ihre aktuelle Gestalt zu geben. Gemeint ist das Infinitesimale, das unendlich Kleine, das es seit den Tagen von Newton den Physikern und Ingenieuren erlaubt, die Bewegungen exakt zu berechnen, aus denen letztlich alles hervorgeht, während das Infinitesimale selbst verschwindet. So eine Rolle spielt die gesamte Wissenschaft selbst. Sie bringt alles hervor und zieht sich am Ende auf sich selbst zurück, um nicht weiter aufzufallen und den Lauf der Dinge zu stören. Eigentlich schade, wo es doch so viele schöne Geschichten von ihr zu erzählen gibt, fast so viele und oftmals so schöne wie in den Märchen aus 1001 Nacht.     
 

© Ernst Peter Fischer