Die Schokoladentorte

von Erwin Grosche

Foto © Lolame Pixabay

Die Schokoladentorte
 
Die Schokoladentorte ist die Rampensau unter den Süßspeisen. Teamplayer sehen anders aus. Da werden Holländer Kirsch und Frankfurter Kranz schnell zu Stichwortgebern. Sie spielt alle an die Wand. Wenn ich ein Hund wäre, würde ich mich in ihr wälzen, weil ich ein Mensch bin, muß ich brüllen lernen im Löwenkäfig: „Vielleicht sollte ich zum Tortenessen keinen großen Löffel nehmen.“ Zum Glück gehört die Schokoladentorte nicht zu den gefährdeten Tortenarten. Man sieht ihr gleich an, was sie vorhat. Der Überraschungseffekt ist nicht auf ihrer Seite. „Nimm mich“  ist ihr zweiter Vorname. Wer sich einer Schokoladentorte nähert, muß über Wasser wandeln können. „Grundgütiger, man geht doch nicht mit Brad Pitt Essen und glaubt dann ungeküßt nach Hause zu kommen.“ Diese Torte tut nie so, als wäre sie unschuldig und müßte um Zehn im Bette liegen. Ich habe gehört, daß Eugen Drewermann sich nach dem Genuß einer Schokoladentorte von der katholischen Kirche losgesagt hat. Das Essen einer Schokoladentorte ist ein Selbstmordversuch, die Todsünde dagegen ein Kavaliersdelikt. Daß man überhaupt noch das Wort Schokoladentorte aussprechen darf, ohne einen gewaltigen Shitstorm auszulösen, grenzt an ein Wunder. Sie ist die Aneignung aller Kulturen, sie nimmt von allen das Beste um selbst die Beste zu sein. Es gab die Schokoladentorte schon vor der Erschaffung der Erde. Über sie stolperte man im Garten Eden, nicht über einen Apfel. Was Adam und Eva aus dem Paradies gerettet haben, waren der stramme Max, Netflix und die Schokoladentorte. „Meine Damen und Herren, diese Schokoladentorte weiß was sie tut. Das war kein Sattmachen im Affekt. Da stand ein Plan dahinter, ein Vorsatz. Unschuld sieht anders aus. Wer die Schokoladentorte als einzige Wahrheit akzeptiert, verleugnet die Vielfalt der Kulturen. Ihr Genuß sollte erst ab 18 Jahren erlaubt sein. Sie ist schuldig im Sinne der Anklage.“
 
„Wer sich die Natur untertan macht, verdirbt sie. Darum meidet der Weise das Zusehr, das Zuviel, das Zugroß. (Laotse, Bäcker Mertens.)       

© 2022 Erwin Grosche
 
Erwin Grosches Web-Seite: www.erwingrosche.de