Anna Dorothea Therbusch

Einer Berliner Künstlerin der Aufklärungszeit zu ihrem 300. Geburtstag

von Jörg Aufenanger

Anna Dorothea Therbusch - Ausstellungsansicht, Detail, Gemäldegalerie 2021 © Staatliche Museen zu Berlin - Foto: David von Becker

Anna Dorothea Therbusch
 
Einer Berliner Künstlerin der Aufklärungszeit zu ihrem 300. Geburtstag
 
Gemäldegalerie Berlin bis zum 10. April 2022
 
Als die Berliner Malerin Anna Dorothea Therbusch 1765 in Paris eintraf, lernte sie bald den Philosophen und Schriftsteller Denis Diderot kennen. Man plauderte nicht nur angeregt miteinander, er rühmte auch ihre Kunst und meinte, sie besitze den „Mut, an die Natur zu appellieren und sie zu betrachten“, was auch immer er damit genau meinte. Da „Madame Therbouche“, wie er sie nannte, für ihre Porträts geachtet wurde, entstand auch die Idee, ob es nun seine oder ihre oder ihrer beider war wissen wir nicht, daß sie auch ihn male. Als er ihr dafür Modell saß, bat sie ihn, seinen Anzugskragen abzulegen. Doch der ihr acht Jahre ältere Diderot entledigte sich nicht nur des Kragens, sondern entblätterte sich „nackt bis zum Gürtel“ wie er kokett anmerken sollte. Wie weit Diderots Striptease nun wirklich reichte wissen wir ebenso nicht, das wird beider Geheimnis bleiben. Auch Johann Wolfgang von Goethe ließ sich gern von Malerinnen porträtieren, so in Rom 1787 von Angelika Kauffmann und später in Weimar. Zahlreich sind die jungen Frauen gewesen: Caroline Bardua, Louise Seidler, Julie von Egloffstein, Charlotte von Bauer, Angelica Facius. Allen hat der Geheimrat Modell gestanden. Aus Briefen wissen wir, wie ihn das erregt hat, aber die jungen Frauen auch. Doch von einem exhibitionistischen Akt des Dichters ist uns keine Kunde gekommen.


Anna Dorothea Therbusch - Der Liebesbrief

Als das Porträt Diderots von der Therbusch 1767 im Pariser Salon gezeigt wurde, erregte es Aufsehen und Erstaunen, daß sich der berühmte Philosoph und Enzyklopädist quasi nackt und das auch noch von einer Gemanique hatte malen lassen. Doch der verteidigte sie und sie selbst war „nicht der Ansicht, daß das Laster das alleinige Vorrecht habe, einen Mann zu entkleiden“.
Geboren war Anna Dorothea Therbusch am 23. Juli 1721 in Berlin. Der Vater war der preußische Hofmaler polnischer Abstammung Georg Lisiewski, der sie in der Malerei unterrichtete, da es für Frauen keine andere Möglichkeit gab, die Künste zu erlernen. Doch praktizieren konnte sie die Portraitmalerei kaum, denn im Alter von zwanzig Jahren heiratete sie den Gastwirt Ernst Friedrich Therbusch, der in der alten Mitte Berlins die Gaststätte „Zur Taube“ führte. Dort hatte sie ihn zu unterstützen und gebar in acht Jahren fünf Kinder, drei Mädchen und zwei Jungen. Erst danach konnte sie ihrer Malleidenschaft frönen.
Begonnen hatte sie mit dem Kopieren Bilder anderer. So ist ein Familienbild des preußischen Hofmalers französischer Herkunft Antoine Pesne gleich am Anfang der Ausstellung in der Berliner Gemäldegalerie, das zugleich des Malers Selbstbildnis als auch Porträt seiner beiden Töchter Marie und Heniette ist, zu sehen, daneben die gelungene Kopie der Therbusch. Pesne war schon 1711 Hofmaler in Berlin und später auch Direktor der Berliner Kunstakademie geworden. Er brachte französische Eleganz und rokokohafte Leichtigkeit nach Preußen. Die Berliner Gemäldegalerei hatte 2003 in einer großartig kuratierten Ausstellung sein in Berlin entstandenes Werk umfangreich gezeigt. Die Kopie der Therbusch weist sie als begabte Schülerin des Franzosen aus, der 1757 verstarb und im Berliner Dom begraben wurde.


Anna Dorothea Therbusch - Selbstportait um 1765

Nachdem sie ihre Kinder großgezogen hatte, widmete sich Anna Dorothea Therbusch ihrer eigenen Künstlerkarriere, begab sich im Alter von vierzig Jahren auf Reisen nach Stuttgart und Mannheim, erhielt von Herzog Carl Eugen von Württemberg Aufträge, nachdem sie 1762 mit einem ersten Selbstbildnis sich auch selbst ins Spiel gebracht hatte und damit in die Stuttgarter Kunstakademie aufgenommen wurde. Von dort zog sie weiter über die Alpen nach Bologna, wo sie mit ihrer Malerei auch von sich reden machte und Anerkennung fand. Schließlich ging sie über Wien 1765 nach Paris ins europäische Mekka der Künste, der Literatur und der Philosophie jener Epoche. Eine mutige Frau, die weite Reisen durch die Stätten europäischer Kunst unternahm, zumeist allein mit der Postkutsche.
In der Seinestadt wollte sie in die „Académie royale de peinture et de Sculpture“ aufgenommen werden, galt die doch als die berühmeste in Europa. Sie reichte eins ihrer Bilder ein, doch die Jury glaubte nicht, daß es von einer Frau gemalt sein könne, sodaß sie ein weiteres Tableau vorstellen mußte. Schließlich wurde sie im Februar 1767 aufgenommen, nannte sich nun voller Stolz „Peintre du roy de France“, signierte auch so. Sie schuf nun wie die männlichen französichen Maler der Zeit auch frivole Frauenbildnisse, so „Junge Frau im Negligé“, das diese mit einem enthüllten Busen zeigt. Das gefiel Francois Boucher, der ja selbst zahllose erotische Bilder gemalt hatte, überhaupt nicht. Er entrüstete sich, schalt ihr Bild „unsittlich“, was Diderot amüsierte. Und so sieht man in der Ausstellung ihr Bild und daneben eins von Boucher zu jedermanns Vergleich.


Anna Dorothea Therbusch - Henriette Herz 1788

Auch ihr in Paris entstandenes „Selbstbildnis als Flora“ zeigt die Therbuch als eine freimütige Frau mit tiefem Dekollté und einem anzüglich spöttischen Lächeln. Trotz der Anerkennung in Paris und der Freundschaft mit Diderot mußte sie nach knapp vier Jahren die Stadt wieder verlassen, da sich nicht genügend Bilder verkaufen konnte, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Anne Dorothea Therbusch kehrte nach Berlin zurück, war nun immerhin schon siebenundvierzig Jahre alt. Doch mit dem Ruhmessiegel in Paris königliche Malerin gewesen zu sein, schuf sie von nun an in ihrem Atelier unter den Linden ein umfangreiches Werk, wurde eine gefragte Porträtistin der Berliner Gesellschaft, auch am Hofe Friedrich des Großen. Dabei behielt sie die erotische Lust, Frauen freizügig zu malen bei. Gar in dem Porträt von Henriette Herz, die in der Spandauer Straße den bedeutendsten Salon der Stadt führte, in dem das Tout Berlin der Künstler und Dichter verkehrte, stellte sie sie tief dekolletiert in freizügiger Manier à la francaise dar und versäumte dabei nicht, ihre linke Brust ungeniert soweit zu entblößen, daß ihre Brustwarze zu sehen war. Ein Bild, das sicherlich Sensation, prickelnde Neugier und Aufregung unter den Salongästen erregt hat Für Friedrich den Großen stellte sie beliebte antike Szenen dar. Diese erlaubten der Therbusch alles zu zeigen was die Phantasie ihr enthüllte, so die Antiope, die sie, von Jupiter in der Gestalt eines Satyrs belauert, auf einem Kanapée liegend in ihrer ganzen hüllenlosen Natur darstellte, wovon ja schon Diderot gesprochen hatte, als er ihren Mut lobte, an die Natur zu appelieren und sie zu betrachten. Das Bild ist ein Farbenrausch in Rot und Rosa.


Anna Dorothea Therbusch - Jupiter und Antiope 1775

Sie porträtierte die Stützen der Berliner Gesellschaft, so den Kunstsammler und Staatsmann Julius von Vieth, den Leibarzt des Königs und die königliche Familie, im Auftrag der Zarin Katharina der Großen. Aber sie malte auch Künstler bei der Arbeit wie den Bildhauer Carl Philipp Glume, ein besonders eindrückliches und ungewöhnliches Bild in seiner Schlichtheit.
Vor allem aber sind mehrere Selbstbildnisse aus unterschiedlichen Lebensstationen ausgestellt, so auch jenes Letzte, das sie 1782 kurz vor ihrem Tod anfertigte. Es zeigt sie gefaßt und durch Erfahrung altersweise aus einem Buch herausblickend, ein einglasiges Lorgnon vor dem rechten Auge. Ein finales Bild ihres Lebens und der Ausstellung zum 300. Geburtstag der Anna Dorothea Therbusch.
 

Anna Dorothea Therbusch, Selbstporträt mit dem Einglas 1777

Gemäldegalerie Berlin bis zum 10. April 2022
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