Wohlfühlfilm aus einer anderen Welt

„Licorice Pizza“ von Paul Thomas Anderson

von Renate Wagner

Licorice Pizza
USA  /  2021 

Drehbuch und Regie: Paul Thomas Anderson
Mit: Alana Haim, Cooper Hoffman, Sean Penn,
Bradley Cooper, Tom Waits u.a.
 
Man muß nicht immer dasselbe machen. Das beweist Regisseur Paul Thomas Anderson, der durch anspruchsvolle und auch aufrührende Filme wie „Magnolia“,  „There will be blood“ oder „The Master“ bekannt geworden ist. Schon sein letzter Film schwenkte eher ins Besinnliche („Der seidene Faden“), und  die „Licorice Pizza“, der jüngste Film des 61jährigen, ist wieder ganz anders. Er spielt im San Fernando Valley, am Außenrand von Los Angeles  und Hollywood, dort, wo der Regisseur auch privat lebt. Und er taucht in die reine Nostalgie ein.
Der Film beginnt Anfang der siebziger Jahre – keine Handys, sondern Telefone mit runden Wählscheiben, die noch an der Wand hängen, keine Computer, und zum Happyend, das man nach zweieinviertel Stunden erreicht, wird gerade in den Kinos der Bond-Film „Live and Let Die“ gezeigt, der 1973 anlief. Man weiß also, wo und wann man ist. In einer ganz, ganz anderen Welt, die in allen liebevollen Details optisch und akustisch (die Schlager von damals) beschworen wird.
Gleich zu Beginn geht Anderson mit seiner von ihm auch selbst geschriebenen Geschichte in Medias Res: Da baggert der 15jährige Gary Valentine, aufstrebender Jungschauspieler, die um zehn Jahre ältere Alana Kane an. Sie sieht in ihm einen halben Buben, betont ihr Alter, aber das ist ihm egal. Er plaudert sich entschlossen in ihr Interesse. Und er schafft es, daß ihre Schicksale parallel laufen, daß sie sogar ein gemeinsames Unternehmen gründen. Wasserbetten (man erinnert sich, die waren einmal sehr „in“) kann man auch der Schickeria verkaufen…
Was sich liebt, das neckt sich – daß sich die beiden nach und nach finden, ist bei der Struktur dieses Films nicht zu vermeiden. Da mag sie noch so sehr versuchen, mit anderen Männern zu flirten, schließlich muß sie einsehen, daß sie Gary nicht entkommt. Und so läuft man Hand in Hand auf die altmodischste Weise der Welt ins Happyend… Das Drehbuch will es eigentlich nur freundlich.
 
Und Cooper Hoffman, der Sohn des so sinnlos an Drogen verstorbenen Philip Seymour Hoffman, ist ein uriger Typ, der in seiner „stockigen“ Physiognomie an seinen Vater erinnert und sicher keinen Jungschauspieler-Schönheitswettbewerb gewinnt. Hartnäckig will er die zögerliche Alana gewinnen, umtriebig fällt ihm immer Neues ein, was man unternehmen und womit man Geld verdienen könnte. Der Regisseur hat auch mit Alana Haim (sie durfte gewissermaßen ihren Vornamen behalten), bis dato als Rock-Sängerin tätig, ein neues Gesicht auf die Leinwand gebracht. Alles andere als eine klassische Schönheit, aber gewissermaßen so originell wie ihr Partner. Das trägt einiges zur Natürlichkeit des Gebotenen bei, obwohl es bei genauem Hinsehen durch und durch typisch „Kino“ ist.
Anderson ist populär genug, den Film rund um seine No-Name-Hauptdarsteller mit ein paar Cameos großer Namen schmücken zu können, Bradley Cooper (als Liebhaber der Streisand) oder Sean Penn (als Altstar). Denn der Film ist auch ein liebevolles Augenzwinkern in Richtung Hollywood. Das Anekdotenhafte, Zusammengestoppelte des Ganzen wird durch solche Episoden betont, wenn auch die Liebesgeschichte alles zusammenhält.
Am Ende fällt einem dazu viel ein – Coming of Age-Film, Wohlfühlfilm, typische Romanze, Skurrilität (Pizza mit Lakritze, bitteschön!), jedenfalls einmal etwas, wo die Häßlichkeiten und Exzesse des Lebens draußen bleiben. Es war eine andere Welt.
 
 
Renate Wagner