„Davon glaube ich kein Wort!“

Charles Darwin in der Anekdote (1)

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer

„Davon glaube ich kein Wort!“

Charles Darwin in der Anekdote (1)

Von Ernst Peter Fischer
 

Als die Welt aus den Fugen geriet
 
Es geht weiter in die Vergangenheit und zunächst vor allem in das 19. Jahrhundert zurück, in dem „Die Verwandlung der Welt“ beginnt, bis sie so aussieht wie heute, wie Historiker meinen, und in dem Menschen bemerken, daß nichts so bleibt oder bleiben kann, wie es ist. Es gibt überhaupt nur Bewegung, was man auch mit dem negativ klingenden Satz von Hamlet sagen kann, daß die Welt aus den Fugen geraten ist und sie nichts mehr in ihrem alten Rahmen hält.

       Zu den grundlegenden Konzepten, die allgemein im Denken der Menschen aufgegeben werden müssen, gehört die Vorstellung von einer Konstanz der Lebensformen, die in alle Ewigkeit so bleiben, wie ein gütiger Gott sie einst geschaffen hat, und zu diesem Sinneswandel trägt vor allem der britische Naturforscher Charles Darwin bei, der eigentlich Theologe werden sollte, dann aber in den 1830er Jahren eine Weltreise unternimmt und auf dieser fünfjährigen Fahrt die Anschauungen und Eindrücke bekommt, die ihm eine evolutionäre Geschichte des Lebens plausibel erscheinen lassen und die er als Mitglied einer Gesellschaft versteht, in der Menschen nach der Industriellen Revolution hart und unerbittlich um das Überleben kämpfen.
       Für die Weltreise mit einem Schiff namens „Beagle“ hatte Darwin neben seinen Instrumenten auch eine Bibel eingepackt, in der er das damals akzeptierte Datum der Schöpfung eingetragen hatte, nämlich den 23. Oktober 4004 vor Christus, und zwar genau um 9 Uhr vormittags. Der Philosoph Hans Blumenberg meint bei seiner Lektüre dieser Worte plötzlich und unmittelbar sehen zu können, „wie zerstörerisch die fromme Notiz für die vielen Seiten war, denen sie voranstand: der stupende Gewinn [an höchst sinnloser Präzision] als Umschlagpunkt zum endgültigen Verlust“ – nämlich dem Verlust an Gewißheit, von einem gütigen Gott geschaffen

Darwin als Affe, London Sketchbook 1874
worden zu sein, der pünktlich um 9 Uhr zur Arbeit erscheint. Darwin hat stets betont, daß derjenige, der die Natur wirklich kenne und in Augenschein nehme, nicht mehr glauben könne, daß ein wie auch immer gedachter oder gearteter Gott sie gemacht habe. Wenn überhaupt, dann sei die Welt ein Werk des Teufels, was Darwin das Gefühl gab, einen Mord zu gestehen – Gott ist jetzt tot –, während es die Vertreter der Kirche natürlich in Aufruhr brachte, als sie davon erfuhren.
      
Kurz nach der Publikation von Darwins Hauptwerk kam es zu einem öffentlichen Streit zwischen einem angriffslustigen Bischof namens Samuel Wilberforce und einem streitbaren Verfechter der Evolutionsidee namens Thomas Huxley, der wegen seiner scharfen Kommentare auch als Darwins Bulldogge bekannt war. Bei dem Zusammentreffen ging Wilberforce auf die jetzt denkbare von vielen als furchtbar und erniedrigend empfundene Möglichkeit ein, die Darwin selbst in seinem Buch mit keinem Wort erwähnt, daß Menschen von Affen abstammen sollten (Abbildung: Karikatur – Darwin als Affe, London Sketchbook, 1874). Der wütende Bischof fragte den lauschenden Huxley direkt, ob der Gelehrte ihm sagen könne, ob er väterlicher- oder mütterlicherseits von einem Affen abstamme, und erhielt als Antwort:
       „Wenn mir die Frage gestellt würde, ob ich lieber einen erbärmlichen Affen zum Großvater hätte oder einen begabten Mann mit großem Einfluß, der aber diese Gaben und diesen Einfluß in der bloßen Absicht gebraucht, eine ernsthafte wissenschaftliche Diskussion ins Lächerliche zu ziehen, dann zögere ich nicht zu erklären, daß ich den Affen bevorzuge.“


© Ernst Peter Fischer