Mann des Jahres

von Erwin Grosche

Erwin Grosche - Foto © Frank Becker
Mann des Jahres
 
Seitdem ich mit André Wiersig befreundet bin, strahlt sein Ruhm auf mich ab. Galt ich vorher als unsportlich, wurde ich nun gefragt, ob ich Bademeister in der Schwimmoper werden will. Manchmal, wenn ich André treffe, sage ich zu ihm: „Sag mal Grütze“ und er sagt „Grütze“, dann lehne ich mich an ihn an, und flüstere: „5 Minuten Stütze“. Ich berate ihn auch beim Badehosenkauf und auf die Idee die Pader bis nach Schloß Neuhaus zu durchtauchen, bin ich gekommen. Weltrekorde kann man auch in Paderborn aufstellen. Hier lebt mein Freund, der Extremsportler André Wiersig. Er ist der erste Paderborner, der die Ocean’s Seven absolvierte, die größte Herausforderung im Langstreckenschwimmen. Ich werde von vielen Freundinnen „Iron Man“ genannt und habe das Fahrtenschwimmer Abzeichen in Erwitte gemacht. Er ist Elite-Bahnfahrer und ich habe die Bahncard 25. Helden haben gerne Helden zum Freund. Wenn ich gefragt werde, was mein Freund André so macht, dann tue ich immer geheimnisvoll und erzähle: „Mein Freund André duscht stundenlang, um auf das plötzliche Auftauchen von Wasserfällen vorbereitet zu sein.“ Manchmal treffe ich ihn und habe mein Robbenkostüm an, damit er sich an deren Aussehen gewöhnen kann. Ich werde jetzt von vielen Models umschwärmt, die mir Geschenke für André mitgeben. Oft gehe ich dann mit ihnen aus und schwärme, daß ich, genau wie André, ein Wasserbett habe, dessen Flüssigkeit genau die Temperatur des Wassers vom Ärmelkanal hat. Termine bei meinem Zahnarzt bekomme ich schneller, wenn ich erzähle, daß mich André bei seinem nächsten Projekt braucht, weil ich ihm Tips zur Zahnpflege im Salzwasser geben muß. „Er kann froh sein, daß er sie zum Freund hat“, wird mir oft gesagt. André ist vielleicht der einzige Mensch der Welt, dem eine Badekappe steht. Wer in 18 Stunden von der Maspernpader bis nach Helgoland schwimmen kann, ist ein würdiger Mann des Jahres. Ich habe auch daran gedacht Carsten Hormes vom Kulturbüro OWL diese Auszeichnung zu verleihen. Mit seinem Kultur-Imbiß hat er nicht nur viele Zuschauer an ungewöhnlichen Orten beglückt, sondern auch vielen Künstlern eine Auftrittsmöglichkeit verschafft. Danke. Leider kann er nicht schwimmen und das sollte ein Mann des Jahres aus der Stadt der Quellen können. André Wiersig kann schwimmen, mehr noch, er ist Krauler. Jemanden zu kennen, der nicht aufgibt und vor keiner neuen Aufgabe Angst hat, kann auch durch diese Zeiten helfen. Er wird nicht umsonst der John Wayne der Pader genannt. Er ist ein Botschafter, der auch darauf aufmerksam macht, daß das Meer von unserer Lebensweise bedroht wird. „Läuft die Ölsardine aus, stirbt die Scholle.“ Immer wieder schwärmt er von den Farben des Wassers, und sogar von seinen Geschmack: „Die Nordsee find' ich vom Tasting her besser als das Mittelmeer“. Wie schmeckt eigentlich die Pader? Und er wäre schon fast zu perfekt, wenn er nicht mich zum Freunde hätte, mich den Iron Man.
 
 
 © Erwin Grosche