Lämmerhirt um Längen voraus (7)

von Joachim Klinger

Joachim Klinger pinx.
Lämmerhirt um Längen voraus
 
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Als sich die Vier im hohen Beratungszimmer wiederversammelt hatten, berichtete Herr Lämmerhirt, legte die Bauzeichnungen mit seinen Eintragungen vor, unterbreitete die Fotobilder und verwies auf die Mörtelstücke. Insbesondere der Baumeister zeigte sich hochzufrieden. Er diskutierte mit dem Kunstwissenschaftler, und dieser nickte immer wieder zustimmend. Prälat Saletta klopfte Herrn Lämmerhirt auf die Schulter: „Gute Arbeit!”
Dann erläuterte er, daß man nach Einschätzung der Experten nur zwei Arbeiter für wenige Stunden einsetzen werde. Bogenleitern und Materialien genügten, eines Gerüst-Baus bedürfe es nicht.
In einer Kantine aß man zu Mittag, trank dazu ein Glas Wein und erhob sich zur Verabschiedung. Der Kunstwissenschaftler sparte nicht mit anerkennenden Worten, und der Baumeister schüttelte Herrn Lämmerhirt mehrfach kräftig die Hand.
Prälat Saletta sagte: „Nun haben Sie ein paar Stunden Zeit, lieber Herr Lämmerhirt. Ich empfehle einen Besuch der Capella Sixtina, um 16 Uhr gibt es eine Führung für deutsche Wissenschaftler. Ich habe Sie vorsorglich angemeldet. Um 18 Uhr 30 empfängt uns der Kardinalstaatssekretär.” Als er das Erstaunen im Gesicht von Herrn Lämmerhirt bemerkte, fügte er hinzu: „Doch, das muß sein. Dank ist durchaus am Platze!”
Um 18 Uhr 25 führte ein würdevoll auftretender Geistlicher Herrn Lämmerhirt und Prälat Saletta zum Kardinalstaatssekretär. Herr Lämmerhirt war noch voll von Eindrücken, die Michelangelos Deckengemälde auf ihn gemacht hatten.
Der Kardinalstaatssekretär war ein alter Herr, dessen faltiges Gesicht ein gewinnendes Lächeln ausstrahlte. Er bat die Herren Platz zu nehmen, blieb aber selbst mit einem Blatt Papier in der Hand stehen.
Er hielt eine kurze Rede in italienischer Sprache, um dann mit deutschen Sätzen zu enden:
„Der Heilige Vater dankt Ihnen, verehrter Professor Lämmerhirt, von ganzem Herzen für den erfolgreichen Abschluß des für die Kirche so wichtigen Forschungsvorhabens. Ich darf Ihnen seinen apostolischen Segen übermitteln.”
Damit machte er das Kreuzzeichen, reichte das Papier seinem wartenden Sekretär und verabschiedete seine Gäste mit freundlichem Kopfnicken.
„Nun sind Sie frei und können tun, was Ihnen beliebt, Herr Lämmerhirt”, lächelte Prälat Saletta, „ich muß Ihnen nur noch diesen Briefumschlag übergeben. Ein Betrag zur Abdeckung des Kostenaufwands. Kein Honorar! Alles sorgfältig von unserer Rechnungsstelle überprüft. Ordnung muß sein.”
Herr Lämmerhirt lächelte zurück: „Brauchen Sie eine Quittung?” Prälat Saletta schüttelte verneinend den Kopf und schob noch eine Frage nach: „Wie ist Ihre weitere Planung?”
Herr Lämmerhirt hatte sich schon entschieden. Florenz wollte er besuchen. Die Toskana hatte ihn schon immer gelockt. Vielleicht Ausflüge nach Siena und San Gimignano machen.
„Um 11 Uhr 03 ab Stazione Termini”, sagte der Prälat, „ein sehr angenehmer Zug. Ich benutze ihn gelegentlich. Ich werde Ihnen ein kurzes Empfehlungsschreiben für das Kloster der Barmherzigen Brüder mitgeben. Schöne Lage und immer einige Gästezimmer für Freunde.”
Dann hob er schalkhaft den rechten Zeigefinger: „Vermeiden Sie die Kuppel des Brunelleschi! Seien Sie ein normaler Tourist!”
 
 
Fortsetzung und Schluß morgen.

© Joachim Klinger 2021