Sommerstunden des Lebens (6)

Tagebuchblätter und Skizzen

von Gisela von Baum
Sommerstunden des Lebens

Elbing, im August

Lieber, Du schreibst, wie sehr Du nach Reisen und Neuem verlangst, mir geht es immer so. - Zur Zeit treibe ich von Ort zu Ort, und Dein Brief wurde mir hierher nachgesandt. - Ich liebe die Hafenstädte, diese kühlen, stolzen des Nordens, wie Elbing, Danzig, Wismar und Lübeck, mit ihren schmalen, hohen Giebeln und Speichern, wie gerne bummele ich durch ihre Gassen und sehe in die Häuser, die in dunklen Fluren Schätze fremder Länder bergen. - Stehe am Kai und sehe dem Ein- und Ausladen zu, und meine Sehnsucht zieht mit allen Schiffen an ferne Küsten. -

Ich denke an die Zeit, da hier noch reges Leben herrschte, und eine schnittige Brigg oder schwere
Kauffahrteischiffe vor Anker lagen, und sehe die Matrosen die Segel bergen und heißen, löschen und laden, höre das anhaltende Quietschen der Winde, wenn schwere Warenballen oder Säcke in die Speicher gezogen werden, von Rufen begleitet, hinausschwebend und kriesend, bis sie in der Luke verschwinden. Ich atme den Geist der Entdecker und Eroberer der Meere und des Handels, schnuppere den Geruch von feuchtem Tauwerk und Planken. - Heute schillert das Wasser in allen Regenbogenfarben, und die Dampfsirene ertönt von vereinzelten kleinen Frachtern. - Mit jedem Boot zieht mein Herz hinaus in die Welt.



Folgen Sie unserer jungen Freundin am kommenden Sonntag weiter durch ihre "Sommerstunden des Lebens"!

Der Merkur-Verlag existiert nicht mehr. Die Autorin ist nicht zu ermitteln. Wir haben alle zur Verfügung stehenden Quellen befragt und konnten doch niemanden finden, der uns hätte Auskunft geben können. Sollten Sie einen Hinweis auf die Autorin oder Rechteinhaber für uns haben, bitten wir um Nachricht. Illustrationen: Gisela von Baum