Zaubert ein Lächeln ins Gesicht

Hermann Schulz – „Therese. Das Mädchen, das mit Krokodilen spielte“

von Wolf Christian von Wedel Parlow

Zaubert ein Lächeln ins Gesicht
 
„Therese. Das Mädchen, das mit Krokodilen spielte
 
Wie der Autor Hermann Schulz zum Stoff dieses Romans gelangte, grenzt in der Tat an ein Wunder. Die Geschichte, die er darin schildert, ist nicht minder erstaunlich. Denn im Nachwort berichtet er, wie er die gealterte Therese durch puren Zufall in einem Supermarkt im Zentrum von Lomé, der Hauptstadt Togos kennenlernt. Sie kommen ins Gespräch, und sie erzählt ihm ihre phantastische Lebensgeschichte, eine Geschichte, die im deutschen Elberfeld des Jahres 1900 beginnt, und die er mit kleinen Ergänzungen und Ausschmückungen, weswegen er nicht von einer Biografie sprechen mag, zu einem Roman verarbeitet. Aber wie er das Erzählte verarbeitet, ist von einem Feingefühl bestimmt, das er nur gewinnen konnte durch seine jahrzehntelange Beschäftigung mit Afrika und seiner Bevölkerung. Obwohl die Geschichte in Deutschland spielt und der Bezug zu Afrika nur darin besteht, daß eine Gruppe von Togoern im Winter des Jahres 1900 im Elberfelder Eden-Theater, dem heutigen Kino Rex, eine sogenannte „Völkerschau“ darbietet, mit der sie das Leben in Togo darstellt. Aber allein schon die Schilderung der Selbstsicherheit des Chefs der Truppe, eines gewissen Mr. William, mit der er das auf dem eisglatten Pflaster des Kipdorf gestürzte Zugpferd eines Kohlehändlers durch sanftes Zureden ermuntert, sich wieder aufzurappeln, zeugt von der Bewunderung des Autors für die in der afrikanischen Bevölkerung schlummernden seelischen Kräfte.
 
Dieser Mr. William übergibt dank der Vermittlung durch eine Diakonissin seine am Abend der Ankunft geborene Tochter einer gegenüber dem Eden-Theater wohnenden kinderlosen Familie. Denn die Mutter der Neugeborenen könne sich wegen der Strapazen der Reisen von Aufführungsort zu Aufführungsort nicht genügend um den Säugling kümmern. Die Pflegefamilie nimmt sich rührend der kleinen Therese an, führt sie durch Volksschule und Gymnasium. Danach will Therese Medizin studieren. Weil das Geld dazu nicht reicht, läßt sie sich beim Diakonischen Werk in Kaiserswerth zur Krankenschwester ausbilden. Von dort schickt man sie bald nach Hamburg, zu einem dortigen Diakonischen Werk, um die attraktive junge Afrikanerin vor den Nachstellungen eines jungen Vikars zu schützen.
So geht es weiter – mit dem Besuch medizinischer Vorlesungen an der Universität, mit der Übernahme der Leitung eines Waisenhauses. Man traut ihr viel zu. Ihr Bruder Kodjo findet sie nach langer Suche. Sie schmieden Pläne für eine Heimkehr nach Togo, wo sie beide noch nie gewesen sind. Die Eltern sind in Russland verschollen, wohin sie vom letzten Zaren eingeladen worden waren. Sie lernt Jonathan Camara aus Togo kennen, der an der Universität Köln als wissenschaftlicher Assistent beschäftigt ist. Eine zarte Verbindung entwickelt sich. Die Umtriebe der Nazis beängstigen sie. Mitte Mai 1933 reisen sie und Kodjo über Marseille nach Lomé. Wie zufällig ist Jonathan auch auf dem Schiff.
 
Die unprätentiöse, einfühlsame Sprache, die erstaunliche Geschichte macht die Lektüre zu einem starken Leseerlebnis. Hermann Schulz hat uns mit dem Roman, obwohl er in Deutschland spielt, Afrika näher gebracht und ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.
 
Hermann Schulz – „Therese. Das Mädchen, das mit Krokodilen spielte“
© 2021 dtv Reihe Hanser, 304 Seiten, ab 13, ISBN 978-3-423-64086-2
Weitere Informationen: www.dtv.de/verlag/reihe-hanser/
 
Lesung mit Hermann Schulz heute, Freitag, 10.12.2021, 19:00 Uhr im → Glücksbuchladen
Friedrichstr. 52 – 42105 Wuppertal