Lug und Betrug, Meineid und Hinterhalt

Peter Imbusch (Hrsg.) – „Soziologie der Hinterhältigkeit“

von Frank Becker

Lug und Betrug, Meineid
und Hinterhalt
 
Alle Gesichter der Hinterhältigkeit kompakt
 
Wie Hinterhältigkeit aussehen kann, demonstriert derzeit der belarussische Gewaltherrscher Aljaksandr Lukaschenka (Alexander Lukaschenko) mit seinem Versuch, die EU mit herangekarrten Flüchtlingen zu überschwemmen. Dieser perfide Plan des Diktators ist nur eine Facette im reichhaltigen Repertoire der Hinterhältigkeit, wie ein aktuelles Buch zum Thema zeigt: „Soziologie der Hinterhältigkeit“, herausgegeben von Peter Imbusch, Professor für Politische Soziologie an der Bergischen Universität Wuppertal.
 
Peter Imbusch ist, mit Verlaub, ein Schlitzohr, was keinesfalls unter den Begriff der Hinterhältigkeit fällt. Nach einer eloquenten Einführung, die er mit Joris Steg verfaßt hat, beginnt er gemeinsam mit Susan Hanspach und Lotta Mayer mit einem Kapitel, das einfach jeden interessieren muß: „Auf der Schleimspur – Über Arschkriecherei“. Das ist einerseits so amüsant, andererseits derart enthüllend, daß man gefesselt wird und für das ganze restliche Buch „dran“ bleibt.
In 16 wissenschaftlichen, dennoch auch für Laien verständlichen Kapiteln werden alle Spielarten der Hinterhältigkeit abgehandelt, sei es die Provokation am Beispiel der Partei „Alternative für Deutschland (AfD), die Drohung explizit am Vorgehen der Mafia oder die Manipulation: „Während sich andere hinterhältige Phänomene durchaus untendiert vollziehen können, kann eine Manipulation nicht aus Versehen geschehen. Eine Intentionalität des Manipulators muß immer gegeben sein, unabhängig davon, worauf sie beruht (S. 109).“
Was Wunder, daß für das Kapitel „Lüge“ der amerikanische Ex-Präsident Donald Trump herangezogen wird, gab es doch im 21. Jahrhundert bislang neben dem o.a. Alexander Lukaschenko keinen größeren und großmäuligeren Lügner auf der internationalen Bühne. Denken wir nur an die „alternative facts“ oder den Sturm aufs Capitol. (Hier übrigens ist Peter Imbusch ein Fehler unterlaufen, indem er von der Besetzung des Weißen Hauses schreibt.)
Im Kapitel „Fremd gehen“ bleiben wir bei einem Präsidenten der USA, schließlich hat die Affäre von Bill Clinton mit der Praktikantin Monica Lewinsky (Monicagate) 1998 ordentlich für Schlagzeilen und Stoff für die Yellow Press gesorgt. Wer würde Clintons meineidliche Aussage „I did not have sexual relations with that woman, Miss Lewinsky“ je vergessen – als ob ein Blowjob kein Sex wäre…
 
Das Gerücht gehört mit seiner gestreuten und unverbürgten scheinbaren Wahrheit ebenso zur Heimtücke wie die Denunziation. Die nämlich verrät die Loyalität zwischen Denunziant und Denunziertem. Eine der übelsten Formen der Heimtücke ist der Meuchelmord, der von Lotta Mayer in bestechender Akribie am Beispiel des russischen Politikers und Regimegegners Alexei Nawalny erläutert wird. Daß der russische Präsident Wladimir Putin explizit als Organisator, Verantwortlicher und Mittäter genannt wird, ist aufgrund der Beweislage nur folgerichtig. Diese bestechende Logik gilt auch für Putins Ahnvater Josef Stalin (Iosseb Bessarionis dse Dschughaschwili), der Russland, also die vormalige Sowjetunion mit Terror und Gewaltherrschaft überzogen hat. Stalin wird im Kapitel „Schauprozeß“ an zahlreichen historisch verbürgten Verfahren vorgeführt. Er war wohl noch skrupelloser als es heute Putin ist, der ihm aber fleißig nacheifert.
 
Die „Soziologie der Hinterhältigkeit“, unbedingt lesenswert und hochaktuell, ist ein Fachbuch, das Sozialwissenschaftlern zum Thema kompakt Werkzeug und Basis bietet, aber auch Laien Aufschluß über das soziale Miteinander und seine Lügengespinste gibt. Von den Musenblättern empfohlen. Besonderer Dank gilt den Autoren und Autorinnen, die sich in ihren Texten dem lächerlichen Gender-Sprech verweigert haben.
 
Mit Beiträgen von Peter Imbusch, Joris Steg, Susann Hanspach, Lotta Mayer, Michael Dellwing, Tim Lukas, Bo Tackenberg, Maximilian Gehrmann, Stephanie Moldenhauer, Rebecca Endtricht, Christina Herrmann, Jakob Schultz, Lea-Sophie Natter, Carsten Stark, Josua Schneider, Matthias Bandtel, Jörg Baberowski.
 
Peter Imbusch (Hrsg.) – „Soziologie der Hinterhältigkeit“
© 2021 Beltz Juventa, 364 Seiten, Klappenbroschur – ISBN: 978-3-7799-6548-0
29,95 €
 
Weitere Informationen:  https://www.beltz.de/fachmedien/