Ein interessantes Stück Architekturgeschichte

Das Brutalismus Quartett von Weltquartett

von Frank Becker

Royal National Theatre London 
Denys Lasdun 1976
Brutalismus
 
Ein Quartett mit einigen der erschreckendsten Betonbau-Sünden
des 20. Jahrhunderts

Wenn immer ich in den zurückliegenden Jahren als Berichterstatter für die regionale Presse den wahrhaft scheußlichen Dom zu Neviges besuchen mußte, fröstelte es mich, und die Frage kroch mir wie die Kälte im Inneren des feuchtkalten Beton-Kolosses den Rücken hinauf: „Wie kann eine dem Menschen zugewandte Organisation wie die (katholische) Kirche ein solches Monstrum als seinen Tempel erbauen lassen?“ Aber diese Frage wird wohl ebenso unbeantwortet bleiben wie jene nach der verantwortungslosen Kumpanei der Papisten mit den zahllosen Kinderschändern in ihren Reihen. Aber zurück zum Beton. Verantwortlich für die Gigantomanie dieses bedrückenden Baus, an dem nach seiner Fertigstellung 1968 seit 1970 bis heute andauernd aufwendig nachgebessert werden muß, ist der Architekt Gottfried Böhm (1920–2021). Obwohl Gottfried Böhm im vorausgegangenen Architekturwettbewerb nicht den ersten Platz belegt hatte, schreibt Wikipedia, wurde er auf persönlichen Wunsch des damaligen Kölner Erzbischofs Joseph Kardinal Frings hin letztlich mit der Ausführung beauftragt – wieder einmal ein Beispiel für die katholische Mauschelei des Erzbistums Köln.
  
 

Genug davon – es gibt schließlich noch andere Scheußlichkeiten in Beton, denken wir an die Bochumer Ruhruniversität, die aus den gleichen Elementen zusammengeschustert wurde wie die in Paderborn und andere in NRW. Banken, Kultureinrichtungen,Theater und öffentliche Gebäude schossen in den 1960ern und 1970ern wie Pilze aus dem Boden, als hätten sich die Architekten weltweit im Brutalismus übertreffen wollen. Apropos Pilze: Das neue Weltquartett, das einige der aufregendsten Betonbauten des 20. Jahrhunderts auf 32 Spielkarten mit knappen Fakten (leider nicht den Kosten) vorstellt, zeigt auch solche, denken wir an die Geisel Library in San Diego (1970 von William Leonard Pereira fertiggestellt), die Torres Blancas in Madrid (1968 von Francisco Javier Sáenez de Oiza realisiert) oder den Torre Velasca in Mailand, den 1958 das Büro BBPR fertiggestellt hat.

     Neben seelenlosen Klötzen wie Marcel Breuers Met in New York (1966), Herwig Udo Grafs Kulturzentrum Mattersburg (1976), Wohnsilos von erlesener Häßlichkeit wie Alison und Peter Smithsons Robin Hood Gardens in London (1972) oder Carlo und Luciano Cellis Rozzol Melara in Triest gibt es aber auch wenn auch nicht unbedingt schöne, so doch originelle Ausreißer wie die Stone Henge-Adaption der Wiener Wotrubakirche von Fritz Wotruba und Fritz Gerhard Mayr (1976), das waghalsige Habitat 67 in Montreal von Moshe Safdie (1967 oder das abenteuerliche Ministerium für Straßenbau von G. Tschachawa und Z. Dschalangania in Tiflis (1975).

     Ein interessantes Stück Architekturgeschichte, das dazu reizt, sich weiter mit dem Thema zu befassen, zumal eine Mehrzahl dieser architektonischen Gewalttaten heute unter Denkmalsschutz steht.




Brutalismus Quartett © 2021 Weltquartett, Kartenspiel 32 Blatt (+ Deckblatt/Spielregeln/Erläuterungen), 59 x 91 mm, 300g/m² Quartettkarton lackiert, bruchsicheres Klarsichtetui

Quartettgruppen:
Wohnkomplexe, Wohn- und Bürotürme, Verwaltungsgebäude, Kulturzentren, Museen und Theater, Universitätsgebäude, Parlaments-/Justizgebäude, Sakralbauten

Spielkategorien:
Entwurf, Fertigstellung, Grundfläche, Höhe, Status
10,- EUR (inkl. 19% MwSt, zzgl. Versand)

Weitere Informationen: www.weltquartett.de