Tod und Tödin

von Adolf von Tschabuschnigg

            © Victor Fleissig /  Verlag Herchen + Herchen        

Tod und Tödin
 
Wer ist so spät noch fleißig wach?
Es schlägt und plätschert laut am Bach.
 
Sterbhemden wäscht die Tödin dort,
und pocht und dreht und bleichet fort.
 
Die Nacht ist schön, voll Mondenschein,
heut´ mag´s nicht schwer zu sterben sein.
 
Die Tödin rührt sich ohne Ruh'n,
als gäb's noch viel für sie zu tun.
 
Sie ist ein schönes blasses Weib,
nur fast zu zart der schlanke Leib;
 
das Aug' ist ernst und traurig schön,
hat viele brechen schon geseh'n;
 
doch nie hat's, wie's noch nie gelacht,
je eine Träne feucht gemacht.
 
Da schaut der Tod aus seinem Haus
im Freithofgrün, und ruft heraus:
 
"Du frommes Weib, bist du bereit?
Nun hab' ich Ruh', 's ist Schlafenszeit."
 
Leis winkt sie, deckt die Linnen aus,
und schleicht dann still hinein ins Haus.
 
Der Tod grinst sänftiglich sie an,
man sieht's, er ist ein guter Mann.
 
Der Haushalt fördert Jahr für Jahr,
'sist gar ein emsig wackres Paar.
 
Er legt die Toten in den Schrein,
sie hüllt sie blank in Linnen ein;
 
er scharrt sie finster tief hinab,
und sie pflanzt Blumen auf das Grab.
 
 
Adolf von Tschabuschnigg