Ein bemerkenswerter Film - ein Glücksfall

„The Last Duel“ von Ridley Scott

von Renate Wagner

The Last Duel
USA, FB 2021

Regie: Ridley Scott
Mit: Matt Damon, Adam Driver, Jodie Comer, Ben Affleck u.a.
 
 
Regisseur Ridley Scott hat die Filmgeschichte um viele bemerkenswerte Streifen bereichert, aber am erfolgreichsten war er doch in der Mischung von Welt und Anders-Welt wie in „Alien“ oder „Blade Runner“. Dennoch hat er immer wieder auch Filme im historischen Milieu gedreht. Und als Matt Damon und Ben Affleck viele, viele Jahre nach ihrem Initial-Erfolg „Good Will Hunting“ (1997) sich wieder zu einem gemeinsamen Drehbuch zusammen gefunden haben, „casteten“ sie Ridley Scott als Regisseur, wie dieser es in einem Interview für die FAZ formulierte. Ein Glücksfall für alle Seiten.
 
Zuerst ist da eine wahre Geschichte aus dem Frankreich des 14. Jahrhunderts, die auf einem Sachbuch beruht (Eric Jaeger; „The Last Duel: A True Story of Crime, Scandal, and Trial by Combat in Medieval France“). Dann ist es eine Kohlhaas-Geschichte, wobei sowohl Mann und Frau, die im Zentrum des Geschehens stehen, bis zum blutigen Äußersten gehen, um ihr Recht zu erhalten. Weiters ist es nach dem „Rashomon“-Prinzip gestaltet: Die Geschichte wird dreimal erzählt, aus der Sicht zweier Männer und einer Frau, deren Schicksale mörderisch verflochten sind. Und schließlich ist es vom Inhalt her ein Film von heute – denn es geht darum, daß eine Frau nicht bereit ist, über eine erlittene Vergewaltigung zu schweigen, wie es so gut wie alle ihrer Zeitgenossinnen (und viele heute) getan hätten (wissend, was die Wahrheit kostet), sondern daß sie um ihr Recht kämpfte, wobei es ihr Mann war, der sein Leben und auch ihres riskierte: Würde er im „Gottesgericht“ fallen, wäre auch ihr Leben verwirkt…
 
Und so erfährt man die Geschichte von Ritter Jean de Carrouges (Matt Damon), seiner Gattin Marguerite (Jodie Comer) und seinem einstigen Freund und nunmehrigen Todfeind Jacques Le Gris (Adam Driver) dreimal, stets in Nuancen anders erzählt, aber in diesen ver-rückten Blickwinkeln ungemein spannend. Immer wieder erwartet man eine Pointe, daß sich etwas, das behauptet wurde, ganz anders herausstellen würde, aber nein – es ist so. Le Gris hat Marguerite während der Abwesenheit ihres Gatten vergewaltigt, und so schwer man ihr die Anklage auch vor den Gerichten macht, sie zieht sie durch.
Es ist eine kalte Welt, die da im 14. Jahrhundert in der Normandie und später in Paris aufgeblättert wird, die Ritter am Schlachtfeld und durchaus nicht immer siegreich, daheim auf Burgen, wo sie für die Schicksale ihrer eigenen Untertanen verantwortlich sind, aber selbst abhängig von den Höhergestellten, die ihre Macht gnadenlos mißbrauchen. Und andere wie Le Gris, der ein klassischer Emporkömmling ist, machen sich zum reich belohnten Mittäter der Schurkereien, sind vielleicht mit innerem Zögern, aber aus Opportunismus bei jeder Schmutzerei dabei. Und Jean de Carrouges, einst mit Le Gris befreundet, sieht sich seiner Güter und Rechte beraubt. Es ist ein garstig politisch Lied’, das hier gesungen wird, und es erinnert in seiner Skrupellosigkeit durchaus an heute.
 
Wie schon kürzlich in „Stillwater“ bekennt sich der mittlerweile fünfzigjährige, körperlich schwer gewordene Matt Damon zu seinem Alter, ist ein reifer Mann, unerschütterlich aufrecht, wenn auch von vielen Problemen gedrückt. Marguerite, die Tochter von Robert de Thibouville, heiratet der Witwer ihrer Mitgift wegen und weil er einen Sohn braucht. Er schätzt seine Frau, aber glühende Liebe bringt er ihr nicht entgegen.
 
Jodie Comer, kein bekanntes Filmgesicht, ist diese Marguerite, keine spektakuläre Schönheit, aber eine Frau, die Kraft hat, loyal zum Gatten steht, auch wenn das Leben für sie (er ist oft kämpfend abwesend) in der Burg kalt und im Gefühlsleben einsam ist. Nicht zuletzt, weil ihre Schwiegermutter (Harriet Walter, mutig in äußerer und innerer Häßlichkeit) keine Gelegenheit für böse Worte ausläßt.
Und da ist nun die notgedrungen interessanteste Rolle, jener Jacques Le Gris in Gestalt von Adam Driver, der jüngst immer bessere Rollen an Land zieht (von „BlacKkKlansman“ bis zur „Marriage Story“). An ihm erkennt man schnell, daß Gutes (offenbar mag er Jean de Carrouges, der nie auf ihn herabgesehen hat, wirklich) ganz nah bei Schlechtem liegt, und wenn er zur Vergewaltigung schreitet, ist er so skrupellos, wie man es nur sein kann. Aber so abstoßend er auch mit dem total verdorbenen Fürsten Pierre d’Alençon (mit Blondhaar und Stirnfransen erst auf den dritten Blick als Ben Affleck zu erkennen) agiert, so ist er doch auch ein tapferer Mann und harter Kämpfer, der ungern, aber ohne Zögern auf das letzte Duell zugeht, das für einen von ihnen das letzte sein muß. Daß Männer, die eigentlich nicht attraktiv sind (Schönheit kann man Driver wirklich nicht nachsagen, positive Ausstrahlung auch nicht), dennoch auf Frauen wirken – es gibt Sekunden, wo Marguerite ihn auf ganz besondere Art ansieht…
 
Der Film läuft knapp drei Stunden, und er läuft langsam, malt das schwere Leben damals, malt drückende Seelenstimmungen, läßt Männer und Pferde bei Kämpfen im Regen elend zugrunde gehen. Eigentlich ein Werk ohne jeglichen Lichtblick und auch ohne „Glanz“ irgendeiner Art (nein, sicher kein „schöner Ritterfilm“). Das Duell am Ende wird mit schauerlicher Brutalität geführt, übers bittere Ende hinaus, wenn die Leiche des Verlierers nackt über das Schlachtfeld geschleppt wird.
Und weder Drehbuch oder Regiseur lassen Zweifel daran, daß das „Volk“ und die skrurpellosen Machthabenden dem anderen, wäre er siegreich geblieben, genau so zugejubelt hätten. Von der Qualität der Menschen einst (und wohl auch heute) halten alle Beteiligten nicht allzu viel. Und dürften recht damit haben.
 
 
Renate Wagner