Lob des Buches

von Erwin Grosche

Erwin Grosche - Foto © Frank Becker
Lob des Buches
 
Manchmal kommt der Mensch ins träumen und erinnert sich an die Geheimnisse aus dem Paradies. Es ist das Buch, das uns glücklich macht. Ihm kann man alles anvertrauen. Als Pfarrer Josef Holtkotte zum Weihbischof geweiht wurde, hielten zwei Diakone ein Evangelienbuch über seinen Kopf. Manchmal reicht über einem ein Buch, um dessen Schutz zu spüren. Das würde mit einem E-Book nicht so würdevoll aussehen. Ein Buch funktioniert kabellos, ohne Batterie und vor dem Lesen riecht das „Parfüm“ von Süskind genauso wie der „Butt“ von Grass. „Versteh mich nicht so schnell“, scheint es zu sagen, bevor man es aufschlägt und sich in den Seiten verliert. Ein Buch stürzt niemals ab, muß niemals neu gestartet werden und wichtige Stellen kann man mit einem Eselsohr markieren. Eine simple Wischbewegung führt mich durch Berg und Tal und erlaubt mir sogar den schweren Blick zurück. So kann sich der Leser auf jede Wahrheit einlassen, nachdem seine Hände an den Buchdeckeln festen Halt gefunden haben. Ein Lesezeichen erlaubt uns, das Buch genau an der Stelle zu fixieren, an der wir es sich selbst überließen. Wird dir beim Lesen heiß, gib nicht klein bei. Man kann sich mit einem Buch Luft zufächeln.

Mit dem Weltatlas auf dem Kopf kannst du lernen, wie ein Mannequin zu laufen und vom Laufsteg bei den Gartentagen „Hedera & Bux“ in Schloß Neuhaus zu träumen. Wenn ein Tisch wackelt, nutze den IKEA Katalog als Wackeltisch-Unterlage. Nimm die Ausgabe, in der dieser Tisch als fester Halt angepriesen wurde. Das aufgeschlagene Buch ist ein Gesichtsschutz in Bus, Bahn und Gerichtssaal, bewahrt unsere Privatsphäre und läßt den Schwarzfahrer unbehelligt lesen. Insekten nehmen Reißaus, schlägst du mit einem Krimi um dich und hinter einem seriösen Umschlag vom „Kleriker“-Buch von Eugen Drewermann, kann auch ein unseriöses Buch von mir stecken. So glauben alle, du liest etwas Sinnvolles und laden dich auf ihre Party ein. Ich hatte Freunde, die mich überzeugen wollten meinen Buchpark, meine Wagenburg, aufzulösen, weil man alles in einem E-Book finden kann. Die Bäume auf der Fototapete kann man auch bequemer entdecken, als bei Regen durch den Haxtergrund zu irren. Ich möchte mit einem Stock in den Sand schreiben und mit einer Scherbe in den Fels ritzen, daß alle meine Freunde Bücher sind. Und wissen Sie was ein großes Glück ist? Sie lösen sich nach dem totalen Zusammenbruch nicht einfach in Nichts auf. Das Buch bleibt und ist einsatzbereit. Und sollte ich einst sterben, dann werft mir den „Spaziergang“ von Robert Walser ins Grab, ruhig in unterschiedlichen Ausgaben. Es gibt Bücher, die muß man nicht lesen, die sollte man nur immer bei sich haben. Die Stadtbibliothek Paderborn wurde jetzt zur Bibliothek des Jahres 2021 gekürt. Es ist beruhigend, daß unsere Geschichten in guten Händen sind. „Ein Raum ohne Bücher ist ein Körper ohne Seele.“ (Cicero)
(Manche Gedanken dieser Kolumne stammen von einem spanischen Künstler, dessen Namen ich noch nicht herausbekommen habe.)
 
 
© 2021 Erwin Grosche
 
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